Der Verrat
verächtlich an. »Du bist die Geliebte dieses nichtsnutzigen Burschen. Welche Geheimnisse hat er dir anvertraut, als ihr zusammen wart?«
Midori hoffte, dass ihr Vater nicht wusste, welche Dinge sie und Hirata -san getan hatten – und dass sie schwanger war.
»Sprich!«, befahl Fürst Niu.
Die Verzweiflung löste Midoris Zunge. »Es gibt nichts zu erzählen. Hirata -san und sein Vater wollen keinen Krieg gegen dich führen.«
Fürst Niu schnaubte entrüstet. »Sie wollen mich glauben machen, ich sei in Sicherheit. Und sie benutzen meine eigene Tochter als Übermittlerin ihrer Lügen.«
»Ich sage die Wahrheit!«, rief Midori. »Sie sind gute, ehrenwerte Männer, die in friedlicher Absicht zu dir gekommen sind.«
Fürst Niu schleuderte den Schleifstein an die Wand. Midori schrie auf. Okita und die Wachen fuhren zusammen.
»Willst du mich für dumm verkaufen?«, rief Fürst Niu. »Meine Feinde wollen ihren Sohn in meinen Klan einschleusen, um Zwist in unseren Reihen zu säen und uns zu schwächen, damit wir angreifbar sind. Ich sollte dir den Kopf abschlagen und ihn diesem Mädchenschänder schicken, damit er begreift, dass ich ihn durchschaut habe!«
Midori wimmerte, als Fürst Niu den Dolch durch die Luft schwang. Er kroch zum Rand des Podiums, neigte den Kopf und musterte seine Tochter. Midori wich vor seinem zornigen, schiefen Blick zurück. Dann zog er den linken Mundwinkel hoch und lächelte mitleidig.
»Ah, ich verstehe«, sagte er. »Du weißt wirklich nichts. Du bist zu dumm, um meine Feinde zu durchschauen.« Plötzliche Wut verzerrte sein Gesicht. »Hirata hat dir vorgegaukelt, dich zu lieben, um dich für seine teuflischen Pläne zu benutzen. Dieser dreckige Schurke!«
Fürst Niu sprang auf und schritt um das Podium herum. Er stach den Dolch in die Luft. »Dieser Hurensohn! Dieser Teufel! Ich werde ihn vernichten!«
Midori, die vor dem Podium kauerte, presste die Hände auf die Ohren, damit sie die Stimme ihres Vaters nicht mehr hören musste, doch Fürst Niu stieß weitere Flüche gegen Hirata aus. Grenzenlose Angst überkam Midori.
»Hör auf!«, schrie sie.
Fürst Niu verstummte abrupt, ließ den Dolch sinken und stand regungslos da. Er und seine Männer schauten Midori erstaunt an. Sie hatte es tatsächlich gewagt, ihrem Vater das Wort zu verbieten. Ihre eigene Kühnheit ließ Midori erbeben. Doch ihre Liebe zu Hirata und die Notwendigkeit, ihn zu heiraten, entfachten ihren Mut. Sie sagte, was Reiko ihr vorgeschlagen hatte, um ihren Vater umzustimmen: »Möchtest du vor deinen Feinden in Sicherheit sein?«
Verwundert und aufgeschreckt aus seiner Wut sagte Fürst Niu zögernd: »Ja, gewiss …«
»Möchtest du sicher sein, dass Hiratas Klan dich niemals angreift?« Midoris Stimme zitterte. Sie presste die Schenkel zusammen, um ihren Harndrang zu unterdrücken.
Fürst Niu blieb wachsam, nickte aber.
»Dann ist es das Beste, wenn unsere beiden Klans sich durch eine Heirat zwischen mir und Hirata -san vereinigen«, stieß Midori rasch hervor. »Diese Heirat würde einen Waffenstillstand besiegeln. Wir wären Verbündete und keine Feinde.«
Fürst Niu betrachtete sie nachdenklich. Die beiden Hälften seines schiefen Gesichts schienen fast im Einklang zu sein.
Midori schöpfte Hoffnung, denn trotz seiner Eigenheiten war Fürst Niu logischen Argumenten gegenüber nicht gänzlich verschlossen. Sie erinnerte sich, was Reiko zu ihr gesagt hatte, als sie sich heute früh getroffen hatten. »Diese Verbindung würde dich und deine Familie vor den Tokugawa beschützen. Sie würden keinen Fürsten angreifen, dessen Tochter mit dem obersten Gefolgsmann des sōsakan-sama des Shōgun verheiratet ist.«
Fürst Niu dachte nach. Sein starres Auge schien aufzuwachen. Trotz seines Wahnsinns hatte er den Bezug zur Wirklichkeit noch nicht vollkommen verloren, das wusste Midori. Auch wenn er nicht zu begreifen schien, dass die Tokugawa keinen Krieg beginnen und den Frieden nicht brechen würden, der seit fast einem Jahrhundert herrschte, erkannte er den Nutzen einer Ehe seiner Tochter mit einem Mann, der enge Verbindungen zu den Tokugawa unterhielt. Und er hatte ein sicheres Gespür für gute Gelegenheiten. Eine halbe Ewigkeit verging. Schließlich sprang Fürst Niu vom Podium und hockte sich Midori gegenüber.
»Möchtest du unbedingt heiraten?«, fragte er.
Er schien so besorgt zu sein, dass Midoris Herz einen Freudensprung machte. »Ja«, hauchte sie.
»Gut! Ich glaube, ich kann es einrichten.«
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