Der Verrat
ich junge Mädchen, die sich mit uns im Bett vergnügten. Wenn wir getrennt waren, versuchte ich, mir seine Treue durch Zauberei zu erhalten. Ich malte ein Bild seines Geschlechts und kochte es mit Sake, Essig, Sojasoße, Zahnschwärze, Dreck und einem Lampendocht. Ein Jahr verging. Obwohl Sano -san immer wieder zu mir kam, schien es mein Schicksal zu sein, mein Leben am Rande des seinen zu verbringen.
Ich zwang mich zu Geduld, selbst in jener Nacht, als er mir sagte, dass seine Gemahlin einen Sohn zur Welt gebracht hatte. Das war der Beweis, dass er trotz seiner Beteuerungen, seine Frau nicht zu lieben, mit ihr schlief. Meine Eifersucht und mein Kummer nahmen mir den Atem. Sie hatte ihm ein Kind geboren, wohingegen meine Liebe zu ihm unfruchtbar blieb! Und das Kind band ihn noch enger an seine Gemahlin und trennte uns.
Doch ich beglückwünschte Sano- san lächelnd und verbarg meine wahren Gefühle. Geduld und Beharrlichkeit waren meine einzige Hoffnung, ihn für mich zu gewinnen, und schließlich zahlte mein Vorgehen sich aus.
In dem Jahr, als das Kind geboren wurde, saßen Sano- san und ich im Monat der Blüte auf dem Dach und betrachteten den Vollmond. Er war sehr nachdenklich. »Ich habe in meinem Leben mehr erreicht, als ich je hätte erwarten können«, sagte er, »aber es ist nicht genug. Der Shōgun behandelt mich wie einen Knecht. Dieser jämmerliche Narr wird mir niemals einen höheren und einträglicheren Rang verleihen oder mir meine eigene Provinz geben, über die ich herrschen kann, weil es ihm gefällt, wenn ich dort bleibe, wo ich bin. Wenn er stirbt und ich seinen Schutz verliere, werden meine Feinde die Gelegenheit ergreifen, mich zu vernichten. Meine einzige Hoffnung zu überleben ist mein Sohn.« Seine Augen funkelten listig. »Der Junge ist kräftig, schlau und hübsch. Der Shōgun hat keine eigenen Söhne und daher keinen Nachfolger. Ich muss ihn überzeugen, meinen Sohn als den offiziellen Erben seiner Herrschaft an Kindes statt anzunehmen. Sicher, das wird eine Zeit lang dauern. Mein Sohn muss heranwachsen und die Zuneigung des Shōgun gewinnen. Es gibt Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen. Eines davon ist Fürst Mitsuyoshi, derzeitiger Günstling des Shōgun. Doch ich weiß, wie ich mit ihm fertig werde. Eines Tages wird mein Sohn der Militärdiktator sein, und ich, der ich ihm zur Macht verholfen habe, kann mich für den Rest meines Lebens in Sicherheit wiegen.«
Zuerst schockierte mich Sano -sans Dreistigkeit; dann aber war ich über mein großes Glück hocherfreut. Ich musste nur geschickt vorgehen, dann würde er mir alles geben, was ich mir wünschte.
Reiko schlug das Tagebuch zu. Sie saß wie erstarrt und mit klopfendem Herzen da und sah Sano vor Augen, wie er sich abartiger sexueller Praktiken hingab. Fiebrige Wellen des Entsetzens bestürmten sie. Welch ein Gedanke, dass Sano seine Affäre mit Wisterie nach der Eheschließung weitergeführt hatte! Vielleicht hatten sie ihr Verhältnis sogar nach Wisteries Verschwinden fortgesetzt.
Für Reiko war das alles unvorstellbar. Sano liebte sie. Sie erinnerte sich an ihre ersten gemeinsamen Monate und ihre leidenschaftliche Liebe. Sano konnte unmöglich Ehebruch begangen haben – niemals. Sie waren durch einzigartige Liebesbande miteinander vereint; sie gehörten zusammen.
Dann erinnerte Reiko sich an die unzähligen Male, da sie getrennt gewesen waren. Sano könnte Wisterie während seiner Abwesenheit besucht haben. Auch in der Nacht, als Reiko ihr Kind geboren hatte, war er nicht daheim gewesen, sondern in Diensten des Shōgun unterwegs – so hatte er jedenfalls behauptet. War ihre Liebe eine Schmach und ihr Vertrauen in Sano unangebracht?
Reiko brach in bittere Tränen aus. Ihr war speiübel. Sano war immer ein liebevoller Vater gewesen; es war Reiko undenkbar erschienen, dass er Masahiro aus Gründen der politischen Sicherheit verschachern könne. Und dass er seinen Sohn als Spielzeug für die sexuellen Eskapaden des Shōgun hergab, lag jenseits ihres Vorstellungsvermögens. Doch Reiko wusste, wie unsicher Sanos Stellung innerhalb des bakufu war und welchen Tribut sein ständiger Kampf von ihm forderte, nicht die Gunst des Shōgun zu verlieren. Der ehrenwerte Samurai, als den sie Sano kannte, würde seinen Herrn nie und nimmer beleidigen oder sich gegen ihn verschwören, um die Macht an sich zu reißen. Aber vielleicht war Sano so verzweifelt und launisch gewesen, dass er beides getan hatte.
Auch wenn Reiko
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