Der Verrat
Mitsuyoshi aufhielten. Es war spät, und das Paar hatte getrunken. Als Momoko den Raum betrat, schliefen sie beide – so dachte sie jedenfalls, bis sie sah, dass Mitsuyoshi tot war. Schatzminister Nitta hatte sich ins Gemach geschlichen und den Erben des Shōgun erstochen, als Wisterie schlief.«
Momoko wimmerte und zitterte. Ihre Ketten klirrten.
»Sie war entsetzt«, fuhr Magistrat Aoki mit kühler Stimme fort, »führte Fujios Plan aber dennoch aus. Sie weckte Wisterie und kleidete die verängstigte Kurtisane in einen Umhang mit Kapuze, den sie mitgebracht hatte, damit Wisterie unerkannt blieb. Dann eilte Momoko mit Wisterie die Treppe hinunter, verschwand durch die Hintertür und eilte über die Straßen zum Tor.«
Vor dem Gerichtssaal ertönten Schreie. Die Tür erbebte unter den wütenden Schlägen. Frauenstimmen bettelten laut um Einlass, Männer stießen wilde Drohungen aus. Die Versammelten und die Wachen drehten sich erschreckt um.
»Was ist das für ein schrecklicher Lärm?«, fragte Magistrat Aoki zornig.
»Die Frauen aus der Menge draußen müssen ins Gebäude gelangt sein, Herr«, antwortete einer der Schreiber. »Sie wollen den Angeklagten sehen.«
Fujio warf einen Blick über die Schulter und grinste Hirata kläglich, zugleich aber voller Stolz an. Sogar im Angesicht des Todes genoss er seine Berühmtheit.
»Nun, sie werden die Verhandlung nicht unterbrechen«, rief Magistrat Aoki laut genug, um sich Gehör zu verschaffen. »Momoko bestach die Wachen am Tor mit dem Geld, das Fujio ihr gegeben hatte. Wisterie verließ daraufhin das Vergnügungsviertel und wurde in der Sänfte fortgebracht. Momoko schlich zurück ins ageya . Sie berichtete Fujio, dass Wisterie sicher entkommen, Fürst Mitsuyoshi jedoch ermordet worden sei. Der Gedanke, man könne ihr das Verbrechen anlasten, weil ihre Haarnadel als Waffe benutzt worden war, versetzte Momoko in Angst und Schrecken.«
»Der gewiefte Fujio riet Momoko, wieder nach oben zu gehen, um dann die Treppe hinunterzustürmen und zu schreien, dass Fürst Mitsuyoshi ermordet worden sei – so als hätte sie den Leichnam gerade erst entdeckt. Momoko wurde später verhaftet – Fujio aber war nicht in Verdacht geraten und konnte tun, was ihm beliebte. Er reiste zu dem Sommerhaus, in dem Wisterie sich versteckte. Der hokan erschlug sie und ließ ihren Leichnam dort zurück.«
Die Geschichte klang so plausibel, dass Fujio und Momoko den Mord tatsächlich verübt haben könnten, wie Magistrat Aoki behauptete. Doch Hirata würde ihm nicht glauben, solange der Magistrat keine eindeutigen Beweise vorbrachte. Vielleicht hatte Aoki die ganze Geschichte ja nur erfunden.
Der Magistrat warf einen harten Blick auf die beiden Angeklagten. »Habt Ihr etwas zu Eurer Entlastung zu sagen?«
Diese Rechtsverdrehung raubte Hirata die letzte Geduld. Ehe Fujio oder Momoko antworten konnten, erhob er sich und schritt auf das Podium zu. »Ehrenwerter Magistrat, ich unterbreche die Verhandlung, bis Ihr stichhaltige Beweise vorbringt, dass die Angeklagten jene Verbrechen begangen haben, deren Ihr sie beschuldigt«, sagte er.
Magistrat Aokis Augen funkelten wie dunkle, harte Steine, als er Hirata verächtlich anstarrte. »Euer Herr, der sōsakan-sama , hat auch schon versucht, eine meiner Verhandlungen zu unterbrechen. Euch wird nicht gelingen, was ihm misslang. Ihr solltet lieber den Mund halten, wenn Ihr Euch nicht verdächtig machen wollt, die Rechtsprechung behindern zu wollen.«
Die Tür wurde aufgerissen. Eine Horde Frauen stürmte in den Gerichtssaal. »Fujio- san ! Fujio- san !«, schrien sie. Von heftiger Erregung und Leidenschaft erfasst, liefen Samurai-Gemahlinnen und Nonnen, Händlerfrauen und Dienstmädchen auf den hokan zu. Fujio blickte ihnen mit strahlenden Augen entgegen.
»Bleibt stehen!«, rief Magistrat Aoki den Frauen zu und befahl den Wachen: »Schafft sie hinaus!«
Die Wachen drängten die Horde zurück. Die Frauen schrien zornig und wehrten sich nach Kräften. Sie überrannten die Wachen und strömten in jeden leeren Winkel des Gerichtssaals, wo sie sich niederließen. Magistrat Aoki verzog angewidert das Gesicht und wandte sich dann wieder Fujio und Momoko zu.
»Habt Ihr etwas zu Eurer Verteidigung zu sagen?«, fragte er, offenbar entschlossen, die Unterbrechung nicht weiter zu beachten.
»Ich war es nicht!« Momokos verzweifeltes Jammern erhob sich über den Lärm. Hirata beobachtete sie voller Mitleid. »Bitte, Herr, Ihr müsst mir glauben, dass ich
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