Der Verrat
unschuldig bin!«
Doch der Blick des Magistraten blieb hart, und er kannte keine Gnade. »Ich erkläre Euch der Komplizenschaft in einem Mord für schuldig. Hiermit verurteile ich Euch zum Tode.«
Wachen trugen die wimmernde, halb ohnmächtige Momoko durch die Menge aus dem Gerichtssaal. Magistrat Aoki wandte sich an Fujio: »Was habt Ihr zu sagen?«
In dem Raum breitete sich Stille aus. Die Frauen warteten gespannt auf die Antwort ihres Lieblings. Fujio sagte mit klarer, volltönender Stimme: »Ich gestehe.«
Die Frauen brachen in laute Schreie und Wehklagen aus. Junge Mädchen rauften sich die Haare, und die Nonnen sprachen schluchzend Gebete. Magistrat Aoki rief die Frauen zur Ordnung, und wieder mussten die Wachen sie zurückdrängen. Plötzlich erhob sich Fujio. Mühsam stand er unter dem Gewicht der Ketten auf und drehte sich langsam zur Menge um. Seine finstere Miene ließ die Anwesenden verstummen. Auf den tränennassen Gesichtern der Frauen spiegelte sich Bewunderung.
»Danke, Hirata- san , für Eure Hilfe«, sagte Fujio. »Danke, ehrenwerte Damen, für eure Gunst. Doch ich weiß, wann ich verloren habe, und möchte mit Anstand aus diesem Leben scheiden. Daher werde ich mein Geständnis in einem Lied besingen, das ich geschrieben habe.«
Er blickte Magistrat Aoki an, der zuerst die Stirn runzelte, dann aber nickte. Fujio atmete tief ein und richtete seine Aufmerksamkeit auf seine letzte Darbietung, während die Anwesenden in atemloser Spannung verharrten. Dann sang er mit rühriger, melodischer Stimme:
»Die Liebe ist ein Garten voller Blumen,
Wo Rosen und Lilien ihre Blüten entfalten.
Mein Leben war ein Garten voller schöner Frauen,
Durch den ich mit Verzücken wandelte
Und in dem ich von jeder Blüte kostete.
Doch in dem Garten verbarg sich eine Todesblume –
Deren Saft war Gift und ihre Dornen messerscharf.
Wisterie trat in mein Leben, die schöne Kurtisane,
Und ihre Reize lockten mich in den Untergang.
Wir liebten uns mit einer Leidenschaft,
Die heiß und brennend wie der Sommer war,
Bis Wut und Hass unser Paradies vergifteten.
Ich zerkratzte ihre zarte, reine Haut,
Ich zerbrach ihren zarten, schlanken Körper
Und ließ das Blut aus ihrem Leib strömen,
Bis sie tot vor mir lag.
Jetzt ist die Liebe ein leeres Brachland,
Wo eisige, scharfe Winde wehen,
Über Unkraut, Steine und Knochen hinweg.
Mein Leben ist eine Straße zum Richtplatz,
Und in hoffnungslosem Kummer und Schmerz
Schreite ich dem Tod entgegen.«
Mit erhobenen Händen, der Körper zusammengesunken, ließ Fujio mit tragischer Miene den letzten Ton in der Stille verhallen. Kaum war er verstummt, brachen die schluchzenden Frauen in donnernden Beifall aus. Fujio verneigte sich. Magistrat Aoki verfolgte irritiert das Spektakel.
»Ich spreche Euch des Mordes schuldig und verurteile Euch zum Tode durch Enthauptung«, rief er über den Lärm hinweg.
Als die Wachen Fujio hinausführten, folgten die Frauen ihm klagend und schluchzend.
Hirata aber fürchtete sich davor, Sano mitzuteilen, dass ihre beiden letzten Verdächtigen tot sein würden, ehe sie die Ermittlungen wieder aufnehmen konnten.
27.
S
tell die Soldaten in einer Reihe auf, Masahiro-chan«, sagte Reiko.
Der kleine Junge, der im Kinderzimmer auf dem Boden hockte, stellte seine Spielzeugfiguren – Reitersoldaten, Bogenschützen und Schwertkämpfer – sorgfältig auf. Reiko und das alte Kindermädchen O-sugi schauten ihm zu.
»Das machst du sehr schön«, lobte Reiko ihren Sohn lächelnd, doch in Gedanken war sie bei Sano. Seitdem er den Palast verlassen hatte, wartete sie in ängstlicher Anspannung auf seine Rückkehr vom Treffen mit dem Shōgun. Sie wollte unbedingt erfahren, was geschehen war.
Lauter Lärm vor dem Haus schreckte Reiko, Masahiro und O-sugi auf. Es hörte sich an, als hätte jemand das Gartentor zertrümmert. Reiko erhob sich verwirrt und öffnete die Tür. Als sie hinaus auf die Veranda trat, sah sie Sano im Garten. Mit gesenktem Haupt und geballten Fäusten schritt er um die Bäume herum und zertrampelte die Blumenbeete. Seine Miene war düster, seine Schritte waren rastlos.
»Ich halte es nicht mehr aus«, murmelte er. Sein Atem bildete weiße Schwaden, die sich in der kalten, sonnigen Luft rasch wieder auflösten. »Ich halte es nicht mehr aus!«
Bestürzt beobachtete Reiko das sonderbare Verhalten ihres Gemahls. Sie lief durch den Garten auf ihn zu. »Was ist geschehen?«, rief sie.
Mit wild funkelnden
Weitere Kostenlose Bücher