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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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mich behandeln, als wäre ich eine boshafte alte Sklaventreiberin!« Ein entschlossener Beiklang schlich sich in Momokos Stimme. »Deshalb muss ich die Mädchen bestrafen, wenn sie ungehorsam sind. Aber es ergeht ihnen längst nicht so schlimm wie mir selbst, als ich noch Kurtisane war …«
    Die Grausamkeiten, die den Kurtisanen in Yoshiwara durch ihre yarite zuteil wurden, waren berüchtigt; der Vorfall, den Sano an diesem Tag im ageya miterlebt hatte, war nichts im Vergleich mit den Schlägen und Misshandlungen, denen die Mädchen ausgesetzt waren. Wahrscheinlich war es für einstige Kurtisanen wie Momoko eine Genugtuung, ihren schönen jungen Nachfolgerinnen die gleichen Schmerzen und Demütigungen zuzufügen, die sie einst selbst hatten hinnehmen müssen. Doch Sano vermutete, dass bei einer Kurtisane und ihrer yarite die Feindschaft von beiden Seiten ausging, besonders, wenn die Kurtisane jung, schön und begehrt war, während die yarite ihren Reiz für die Männer verloren hatte.
    »Hasst Ihr Wisterie so sehr, wie sie Euch hasst?«, fragte Sano.
    »Natürlich nicht! Ich liebe meine Mädchen, als wären sie meine eigenen Töchter.« Doch Momoko schien selbst zu bemerken, wie verlogen ihre Worte sich anhörten, denn hastig fügte sie hinzu: »Mit Wisterie ist etwas Schlimmes geschehen, und nun glaubt Ihr, ich hätte es getan, nicht wahr?«
    Sano entging nicht, wie rasch Momoko auf die unausgesprochene Andeutung reagierte, Wisterie könne verletzt oder getötet worden sein – so als würde sie Sanos Worte als Anschuldigung auffassen.
    » Habt Ihr Wisterie etwas angetan?«, fragte Sano.
    »Nein! Ich weiß nicht, wo sie steckt, und ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist. Ich habe sie nicht mehr gesehen, nachdem ich das Schlafgemach verlassen hatte – ich schwöre es!«
    »Reden wir über Fürst Mitsuyoshi. Wie denkt Ihr über ihn?«
    »Wie ich über ihn denke?« Auf dem Gesicht der yarite spiegelte sich Verwirrung – ob gespielt oder nicht, vermochte Sano nicht zu sagen. »Ich habe den Mann kaum gekannt! Ich habe ihn nur auf Feiern gesehen oder wenn ich Kurtisanen begleitet habe, die sich mit ihm trafen.«
    »Habt Ihr ihn in der Nacht des Mordes noch einmal gesehen?«
    »Nein. Erst als ich ihn fand …« Momoko wich Sanos Blick aus und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Seine Leiche, meine ich.«
    »Wie kam es eigentlich, dass gerade Ihr den Toten gefunden habt?«, fragte Sano.
    »Nun, ich bin nach oben gegangen und sah, dass die Tür zum Schlafgemach offen stand. Da habe ich einen Blick hineingeworfen und sah ihn dort liegen …«
    »Und warum seid Ihr nach oben gegangen?«
    »Ich musste nach einer anderen Kurtisane sehen, die sich um einen weiteren Gast gekümmert hat. Die Mädchen sind fügsamer und freundlicher zu den Kunden, wenn sie wissen, dass jemand sie im Auge behält. Außerdem wollte ich einen Moment alleine sein. Auf der Feier ging es sehr laut zu, und ich hatte Kopfweh. Im ersten Stock ist es viel ruhiger.«
    Dass Momoko gleich mehrere Gründe vorbrachte, wo eine einzige Erklärung ausgereicht hätte, erweckte Sanos Argwohn und ließ Zweifel in ihm aufkeimen. Doch Momoko war inzwischen so aufgeregt, dass Sano nicht mehr sagen konnte, ob sie log oder bloß verängstigt war. Und wer wäre angesichts einer drohenden Mordanklage nicht ängstlich gewesen?
    »Fürst Mitsuyoshi wurde mit Eurer Haarnadel getötet«, sagte Sano. »Habt Ihr eine Erklärung dafür?«
    »Meine Haarnadel? Tatsächlich?« Momoko warf Sano einen Blick zu, in dem sich Erstaunen und Verwirrung mischten. Doch Sano vermutete, dass die yarite die Haarnadel bereits wiedererkannt hatte, als sie Mitsuyoshis Leiche entdeckte. »Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich habe die Haarnadel vor längerer Zeit verloren.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wie und wann die Nadel in das Gemach gekommen ist …«
    »Als Ihr sie Fürst Mitsuyoshi ins Auge gestochen habt, nehme ich an«, sagte eine zornige Männerstimme von der Eingangstür und ließ Momoko verstummen.
    Sano hob den Blick und beobachtete, wie Polizeikommandeur Hoshina ins Zimmer kam, gefolgt von den yoriki Yamaga und Hayashi. Offenbar hatten die drei Männer Sanos Gespräch mit der yarite belauscht. In drohender Haltung blieb Hoshina vor der knienden Momoko stehen, die sich vor Entsetzen duckte.
    »Ihr seid gestern Abend die Treppe hinaufgegangen«, fuhr Hoshina fort. »Als Ihr dann gesehen habt, dass Fürst Mitsuyoshi allein im Zimmer war und schlief, habt

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