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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Tod zu rächen.«
    Ein langer Moment verstrich. Sano hörte nur sein pochendes Herz und den keuchenden Atem Himmelsfeuers. Alle waren vor Spannung wie erstarrt. Dann warf Himmelsfeuer den Kopf zurück und lachte.
    »Ich habe Euch Angst eingejagt, nicht wahr?« Er steckte sein Schwert in die Scheide und trat von Sano zurück. »Ich bin zu schlau, um eine Geisel zu töten, die ich noch brauche. Wenn ich das Geld habe, nehme ich Euch mit, damit ich sicher aus Edo verschwinden kann. Sobald ich weit genug weg bin und Ihr Euren Zweck erfüllt habt, werde ich Euch töten.«
    Sanos flüchtige Erleichterung verwandelte sich in die schreckliche Angst vor dem Tod in der Ferne. Aber vielleicht würde Himmelsfeuer gar nicht so lange warten, bis sie einen fernen Ort erreichten. Vielleicht musste Sano noch heute sterben. Er dachte an Reiko und Masahiro, und seine Entschlossenheit, zu überleben, verlieh ihm neue Kraft. Ja, er würde seine Familie wiedersehen! Er würde den Mörder von Fürst Mitsuyoshi dem Gericht ausliefern, seine eigene Unschuld beweisen und seinen Namen von jedem falschen Verdacht befreien.
    Falls er Himmelsfeuer daran hindern konnte, seiner Wut Luft zu machen, und ihn, Wisterie und alle anderen in der Nähe zu töten …
     
    Fürstin Yanagisawa stand auf der Veranda. Die Hände auf das Geländer gedrückt und das Gesicht in den Wind erhoben, schaute sie zum Himmel über ihrem Heim empor. Mit fieberhafter Ungeduld wartete sie auf die Nachricht, dass das Blutopfer seine kosmischen Kräfte entfaltet hatte.
    Sie wusste genau, was kommen würde. Der Wind würde sich zu einem frohen Lied drehen. Die Tragödie von Masahiros Tod würde Reiko in ein dichtes, schwarzes Trauertuch hüllen, während strahlendes Glück ihr eigenes Leben erhellte. Ihr Gemahl würde sie innig lieben, und Kikuko würde befreit sein vom Fluch des Schwachsinns. Der graue Himmel würde aufbrechen, die Sonne scheinen, das grüne Laub würde sich entfalten, und die Luft am Morgen dieses neuen Lebens der Fürstin Yanagisawa würde wie im Frühling duften.
    Doch als die Minuten vergingen und der kalte, trübe Nachmittag unverändert blieb, trübte eine böse Vorahnung ihre frohe Erwartung. Fürstin Yanagisawa erinnerte sich an Reikos Gastfreundschaft. Sie dachte an den putzigen, liebenswerten Masahiro. Sie stellte sich vor, wie das Wasser über ihm zusammenschlug und seine Todesangst, als es in seine Lungen drang und sein Magen sich verkrampfte. Die Erinnerungen an ihre Mutterschaft stiegen in ihr auf. Die Fürstin dachte daran, wie sie Kikuko als Säugling in den Armen gehalten und ihre winzigen Hände und Füße betrachtet hatte, von Liebe erfüllt. Sie hörte die piepsige Stimme ihrer Tochter, roch ihre zarte, duftende Haut, genoss den Ausdruck der Liebe in ihren Augen. Wenn Kikuko sterben würde, würde auch Fürstin Yanagisawa sterben – an einer Trauer, die zu grauenvoll war, sie ertragen zu können.
    Konnte sie einer Frau, die so liebenswürdig zu ihr gewesen war, einen so schrecklichen Schmerz bereiten?
    War ihre Intrige ein Weg zur Freude oder ein Übel, das sie zu endlosen Wiedergeburten eines kummervollen Daseins verdammen würde?
    Die Fürstin bekam eine schwache Ahnung von dem grenzenlosen Missverhältnis zwischen dem, was sie getan hatte, und dem, was sie sich wünschte. Plötzlich begriff sie, dass es keinen vernünftigen Grund gab, warum ihre Taten Wunder bewirken sollten. Ein Kampf zwischen Glauben und Unschlüssigkeit entflammte ihr Blut. Die Winde in ihrem Innern und im Garten wehten stärker. Fürstin Yanagisawa, die den Halt zu verlieren drohte, umklammerte fest das Geländer. Ihr Blick in die Zukunft trübte sich. Der Himmel verdüsterte sich, als die Dämmerung hereinbrach. Statt himmlischen Gesangs hörte sie tiefe Stimmen. Sie schaute über den Garten hinweg und sah eine Gruppe Männer in einem überdachten Gang zwischen den Gebäuden. Ihr Gemahl bildete die Spitze, seine Hofbeamten folgten ihm.
    Fürstin Yanagisawas Herz setzte einen Schlag aus. Vielleicht war die Tat vollbracht. Vielleicht kam ihr Gemahl nun zu ihr …
    Der Kammerherr wandte sich in ihre Richtung. An der Schwelle zur Glückseligkeit wartete Fürstin Yanagisawa. Der Blick ihres Gemahls richtete sich auf sie – und schweifte weiter.
    Grenzenlose Enttäuschung überkam die Fürstin. Die Gleichgültigkeit ihres Gemahls ließ ihre Seele verkümmern. Plötzlich legte sich der Wind. Leere umschloss sie, und ihre Empfindungen wechselten mit den Visionen eines

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