Der Verrat
Holt mir Sake!«, befahl Himmelsfeuer seinen Komplizen.
Drei Männer stiegen die Treppe hinunter. Sano hörte, wie sie in dem Diebesgut wühlten, das sich im Lagerhaus stapelte. Nur einer der drei Männer kehrte mit einem Sakekrug zurück. Himmelsfeuer schien es nicht zu bemerken. Er nahm den Krug und trank. In Sano aber keimte die Hoffnung, dass sein Plan aufging und die beiden anderen Männer geflohen waren.
»Es wäre das Beste für Euch, wenn Ihr Euch ergebt«, sagte Sano.
»Habt Ihr den Verstand verloren?« Himmelsfeuer wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und starrte Sano an. »Der Shōgun wird mich hinrichten lassen, weil ich seinen kostbaren Erben erstochen habe.«
Sano sah aus den Augenwinkeln, dass zwei weitere Männer die Treppe hinunterstiegen. Himmelsfeuer öffnete ein Fenster, spähte hinaus und brummte: »Ich wünschte, Euer Gefolgsmann würde sich beeilen und mir endlich das Geld bringen.«
»Wir wären vielleicht monatelang auf der Flucht«, gab Sano zu bedenken. »Wie wollt Ihr es schaffen, Euch noch länger zu verstecken? Eine solche Gefangenschaft kann schlimmer sein als der Tod.«
»Ich gebe nicht auf!« Himmelsfeuer schleuderte den leeren Krug durch den Raum. Er zersplitterte im unteren Stockwerk des Lagerhauses. Wisterie zuckte zusammen. »Ich werde meinen Kopf so lange auf den Schultern tragen, wie es geht. Und wenn das Heer mich findet, werde ich so viele Soldaten töten, wie ich nur kann, bevor ich sterbe.«
Er drehte sich zu seinen vier restlichen Komplizen um. »Überzeugt euch davon, dass hier niemand eindringt.«
Die Männer eilten davon und ließen Sano, Himmelsfeuer und Wisterie allein zurück. Himmelsfeuer schritt ruhelos auf und ab. Als er am anderen Ende des Speichers angekommen war und ihnen den Rücken zuwandte, wechselte Sano einen raschen Blick mit Wisterie und signalisierte ihr, dass sie die Treppe hinunterlaufen sollte, bevor Himmelsfeuer wieder bei ihnen ankam oder durchschaute, was vor sich ging. Doch Wisterie runzelte verständnislos die Stirn: Es war ihr entgangen, dass die Ganoven das Weite gesucht hatten.
Plötzlich drang das laute Pochen von Pferdehufen zu ihnen herauf. Bestürzt erkannte Sano, dass Himmelsfeuers Komplizen gewartet hatten, bis alle unten angekommen waren, und nun gemeinsam die Flucht ergriffen.
Himmelsfeuer hob die Augenbrauen. »He, was geht hier vor?« Er eilte zum Rand des Speichers und starrte in das leere Lagerhaus. Sano hörte den Hufschlag der davongaloppierenden Pferde. »Diese Feiglinge haben mich im Stich gelassen!«, brüllte Himmelsfeuer, außer sich vor Wut.
Er drehte sich um. Sano sah, wie sich plötzliches Entsetzen auf dem Gesicht des Verbrechers spiegelte. »Verflucht, jetzt bin ich allein!«, rief er und ging auf Wisterie zu. »Das ist alles deine Schuld!«
Wie viele andere Verbrecher verdankte auch Himmelsfeuer seine Stärke den Komplizen und gab nun ihnen die Schuld für seine Schwierigkeiten, erkannte Sano. Wisterie stand da und blickte Himmelsfeuer fest an. »Es ist nicht meine Schuld«, entgegnete sie mit kühnem Trotz. »Wenn du Fürst Mitsuyoshi nicht getötet hättest, wären wir jetzt in Sicherheit.«
Himmelsfeuer wirbelte herum – sichtlich erstaunt, dass Wisterie es wagte, ihm zu widersprechen. Sein massiger Körper schwankte bedrohlich. »Hör auf, anderen die Schuld an den Problemen zu geben, die du verursacht hast!«, brüllte er. »Hättest du deine verrückte Intrige nicht geschmiedet, wäre das alles nicht geschehen.«
»Und hättest du getan, was ich gesagt habe, wäre alles gut gegangen«, schimpfte Wisterie. »Aber du wolltest ja nicht hören! Du musstest ihn erstechen! Und jetzt müssen wir bezahlen – anstatt nur sie allein!«
Der Wortwechsel irritierte Sano. Hinter dem Mordfall schien mehr zu stecken, als er vermutet hatte. »Wovon sprecht Ihr?«, fragte er.
»Nur zu. Sag es ihm.« Himmelsfeuer durchbohrte Wisterie mit Blicken.
Die Kurtisane rückte von Himmelsfeuer ab und wandte sich in leisem, demütigem Tonfall an Sano: »Als ich noch sehr jung war, haben wir uns ineinander verliebt. Später fand ich heraus, dass Himmelsfeuer ein schlechter und verderbter Mensch ist. Ich wollte ihn verlassen, aber er drohte, mich zu töten, wenn ich unser Verhältnis beende. Als ich nach Yoshiwara kam, zwang er mich, ihn in mein Gemach im ageya einzulassen. In jener Nacht fand er Fürst Mitsuyoshi bei mir vor. Die beiden waren Feinde, weil Himmelsfeuer jeden Mann hasste, dem ich zu Willen war, und weil
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