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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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bakufu und deren Gefolgsleute. Nach langwieriger Suche in ganz Yoshiwara hatten Sano und seine Ermittler sechs der Männer sowie zwei Kurtisanen aus dem Owariya ausfindig gemacht, sie vernommen und dabei erfahren, dass sie zum Zeitpunkt des Mordes an Fürst Mitsuyoshi zusammen gewesen waren. Wie es aussah, hatte keine dieser Personen die Feiernden verlassen und sich in den ersten Stock oder anderswohin begeben; außerdem hatte keiner von ihnen ein erkennbares Motiv, den Erben des Shōgun zu ermorden.
    Kurz darauf entdeckte Sano im Teehaus Tsutaya fünf weitere Teilnehmer der Feier vom Abend zuvor. Das Teehaus Tsutaya befand sich im Erdgeschoss eines Gebäudes unweit der Mauer, die Yoshiwara von der Außenwelt abriegelte. Der Name des Teehauses stand auf einer runden, hell leuchtenden Laterne über dem Türeingang, und zwischen den Latten der geschlossenen Fensterläden schimmerte Licht. Sano klopfte sich die Schneeflocken von der Kleidung, trat ein und ließ den Blick durch das geschmackvolle Innere des Teehauses schweifen. In einem Alkoven standen Porzellanvasen, in denen winterkahle Zweige in einer Vase arrangiert waren, und Holzkohleöfen sorgten für angenehme Wärme. Hausmädchen brachten den fünf männlichen Gästen heißen Sake.
    Als Sano eintrat, wandten sich ihm alle Blicke zu, und die Mienen der Gäste wurden kühl und verschlossen. Einer der Männer, der vor dem Alkoven saß, sagte in die plötzliche Stille: »Ich grüße Euch, sōsakan-sama .«
    Sano kniete sich hin und verbeugte sich. »Ich grüße Euch, ehrenwerter Makino.«
    Makino, der Vorsitzende des Ältesten Staatsrates, war einer der fünf Beamten, die dieses mächtigste Gremium im bakufu bildeten, das den Shōgun in Fragen der Politik beriet. Makinos greisenhafter Körper war ausgemergelt; die Schädelknochen zeichneten sich deutlich unter der straffen Kopfhaut ab. Sein schwarzer Kimono hob die Blässe seines hageren Gesichts, das an einen Totenschädel erinnerte, noch deutlicher hervor. Seine Gefolgsleute, die ihm zugleich als Schreiber und Leibwächter dienten, hatten um ihn herum Platz genommen.
    »Ich nehme an, Ihr seid gekommen, um mich im Mordfall Mitsuyoshi zu vernehmen«, sagte Makino.
    »Falls Ihr bereit seid auszusagen«, erwiderte Sano vorsichtig, denn Makino zählte zu seinen Gegnern. Der mächtige Vorsitzende des Ältesten Staatsrats hatte Sano einmal sogar des Hochverrats beschuldigt, was ihn beinahe das Leben gekostet hätte.
    »Unter gewissen Voraussetzungen bin ich vielleicht dazu bereit, Euch mit Informationen zu versorgen«, sagte Makino. »Aber setzt Euch erst einmal und trinkt mit uns.«
    Er winkte einem Hausmädchen, das sofort herbeikam und ihm und Sano Sake einschenkte. Beide Männer leerten die Trinkschalen. Sano spürte, wie der heiße Alkohol sich in seinem Magen ausbreitete und wohltuende Wärme seinen Körper durchströmte. »Was für Bedingungen?«, fragte er vorsichtig. Das Überleben im bakufu erforderte ein ständiges Geben und Nehmen, sodass Makino für seine Informationen vermutlich eine Gegenleistung verlangte.
    »Die anderen Gäste im ageya Owariya, die an der Feier teilgenommen hatten, können bezeugen, dass ich zum Zeitpunkt des Mordes bei ihnen gewesen bin.« Makino nahm einen Zug an seiner Tabakspfeife und blies den Rauch bedächtig zwischen seinen unregelmäßigen, braunen Zähnen aus. »Das gilt auch für die Bediensteten des Owariya. Deshalb kann ich unmöglich der Mörder von Fürst Mitsuyoshi sein. Ihr werdet keinerlei Hinweise finden, dass ich auf irgendeine Weise mit seinem Tod zu tun hatte.«
    Sanos Miene blieb unbewegt. Er schwieg und wartete, dass Makino fortfuhr.
    »Ich bin aber bereit, Euch Hinweise zu liefern.« Ein Grinsen legte sich auf Makinos hässliches Totenschädelgesicht. »Das würde Euch viel Zeit sparen. Und bei diesem Mordfall ist Zeit besonders kostbar, nicht wahr?«
    Da hatte er Recht. »Was verlangt Ihr für Eure Informationen?«, fragte Sano.
    »Dass Ihr mich aus den Ermittlungen heraushaltet.«
    Makino hatte mit ruhiger Stimme gesprochen, doch die Sehnen an seinem Hals strafften sich wie Lederriemen und verrieten seine Anspannung: Er wusste, dass Sano ihn öffentlich zu einem der Mordverdächtigen erklären und ihm dadurch einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen konnte: Makino war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Einen Moment lang war Sano tatsächlich versucht, sich auf diese Weise für all den Ärger zu rächen, den Makino ihm in der Vergangenheit

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