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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Klugheit und Entschlossenheit«, sagte er. »Wie ich es nicht anders erwartet habe.«
    Hiratas Eltern strahlten vor Stolz. Hauptmann Segoshi lächelte. Midori und Hirata tauschten einen hoffnungsvollen Blick.
    »Wie ich hörte, ist Eure Tochter eine der bevorzugten Hofdamen der Mutter des Shōgun«, sagte Hiratas Vater zu Fürst Niu; dann wandte er sich an Midori: »Könnt Ihr musizieren?«
    Midoris Herz schlug schneller. Hiratas Vater wollte von ihr wissen, ob sie die Fertigkeiten besaß, die man von einer jungen Dame ihres Standes erwartete. Es war eine Probe, die sie bestehen musste. »Ja«, sagte sie zögernd. »Ich habe schon als kleines Mädchen die Samisen gespielt.«
    »Habt Ihr gelernt, Blumen zu stecken? Beherrscht Ihr die Kalligrafie? Die Teezeremonie?«
    »Ja, so gut meine bescheidenen Fähigkeiten es erlauben.« Midori kaute auf einem Fingernagel, bemerkte den finsteren Blick ihrer Großmutter, ließ rasch die Hand sinken und versuchte, wie eine bescheidene, mädchenhafte, perfekte Schwiegertochter auszusehen.
    Hiratas Vater nickte. Midori entging nicht, dass ihre Worte Eindruck auf ihn gemacht hatten, und Freude durchströmte ihr Inneres.
    Plötzlich sagte Fürst Niu mit kalter Stimme: »Ja, meine Tochter ist kostbar. Und nun wollt Ihr sie mir stehlen, wie die Tokugawa mir nach der Schlacht von Sekigahara die Ländereien meiner Ahnen gestohlen haben!«
    Er sprach mit so unerwarteter Heftigkeit und Verbitterung, dass die harmonische Atmosphäre augenblicklich verflog. Midori sah die Fassungslosigkeit auf den Gesichtern Hiratas und seiner Begleiter. Auch Midoris Großmutter und Okita blickten den Fürsten verwirrt an.
    Verzweiflung packte Midori. Nun war genau das geschehen, was sie am meisten gefürchtet hatte.
    Fürst Niu, ansonsten ein kluger und umsichtiger Herr seiner Untergebenen, hatte nie die Ungerechtigkeiten verwunden, die seinem Klan nach der legendären Schlacht widerfahren waren, und ließ seinen Zorn darüber oft unvermittelt an Menschen aus, die nicht das Geringste damit zu tun hatten. Midori erkannte, dass die Komplimente, die ihr Vater Hirata und dessen Familie gemacht hatte, bloß der verschleierte Ausdruck seiner Feindseligkeit gewesen waren und dass er von Anfang an nicht die Absicht gehabt hatte, in die Ehe einzuwilligen.
    »Ihr solltet Euch damit zufrieden geben, dass Eure Ahnen den Tokugawa damals geholfen haben, meinen Klan in den Staub zu treten«, sagte Fürst Niu verächtlich zu Hirata und dessen Vater. »Es müsste Euch doch genügen, dass der bakufu jedes Jahr Abermillionen koban an Steuergeldern aus mir herauspresst. Aber nein – ihr unersättliches Pack wollt jetzt auch noch mein eigen Fleisch und Blut!«
    Solange Midori zurückdenken konnte, hatte die Familie sorgsam vermieden, ihrem Vater gegenüber die Tokugawa-Shōgune oder die Schlacht von Sekigahara zu erwähnen – aus Furcht vor einem seiner gewalttätigen Ausbrüche. Aber sie konnten natürlich nicht verhindern, dass er nun, in diesem mehr als unpassenden Augenblick, an dieses Thema dachte und sich selbst in Rage redete. Zwar versuchte Nius Familie, dafür zu sorgen, dass der Fürst so wenig Zeit wie möglich in der Öffentlichkeit verbrachte, doch sie konnte seine plötzlichen Wutausbrüche nicht immer verhindern, sodass jederzeit die Gefahr bestand, dass sein Verhalten die Ehre der Familie beschmutzte und zu Problemen führte. Einmal, als Steuereintreiber der Tokugawa eine große Summe Geldes von ihm kassiert hatten, war Fürst Niu auf sein Pferd gestiegen und brüllend vor Zorn in ein Dorf geprescht, wo er mit dem Schwert unschuldige Bürger niedergemetzelt hatte. Bis jetzt war es dem Klan gelungen, diesen und andere Gewaltausbrüche des Fürsten zu vertuschen, sodass weder der bakufu noch die Öffentlichkeit davon wussten – bis jetzt. Denn es konnte sich als Katastrophe erweisen, dass seine Besessenheit ihn ausgerechnet während dieses miai zu einem neuerlichen Wutanfall getrieben hatte.
    »Herr«, wandte Okita sich vorsichtig an Fürst Niu, »ich glaube, jetzt ist kein guter Zeitpunkt, an die Vergangenheit zu denken …«
    Doch Fürst Niu beachtete seinen Gefolgsmann gar nicht, sondern wandte sich wieder Hirata und dessen Begleitern zu. »Ich bin sicher, dass Ihr Euch mit den Tokugawa verschworen habt, meine Provinz zu übernehmen, mein Geld zu stehlen und meinen ganzen Klan zu vernichten!«
    Schockiert starrten Hirata und sein Vater den Fürsten an. Midori duckte sich furchtsam in eine Ecke der Loge,

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