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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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fragte Sano.
    »Nun, wahrscheinlich hat er irgendwelche Leute bezahlt, dass sie ihm helfen und zusagen mussten, später über diese Sache zu schweigen«, erwiderte Fujio.
    Die Geschichte klang plausibel, stützte sich aber auf zweifelhafte Annahmen. Dennoch verfolgte Sano den Gedankengang weiter. »Und wie erklärt Ihr die Haarnadel, mit der Mitsuyoshi durch einen Stich ins Auge getötet wurde? Warum sollte Nitta eine Haarnadel benutzt haben und nicht sein Schwert?« Er hielt kurz inne. »Was haltet Ihr von der Theorie, dass Momoko, Wisteries yarite , den Mord begangen hat? Schließlich war es Momokos Haarnadel, mit der Mitsuyoshi getötet wurde.«
    »Nein, nein, nein.« Fujio wedelte mit den Händen. »Momoko war nicht die Täterin, auch wenn sie eine niederträchtige alte Hexe ist, soviel ich gehört habe. Wollt Ihr wissen, wie sie den Kurtisanen die Haare entfernt?« In Yoshiwara war es Brauch, dass die Prostituierten ihre Schamhaare rasierten. »Sie reißt sie den Mädchen aus, eins nach dem anderen, sogar an den empfindlichsten Stellen!«
    Er zuckte zusammen, Sano ebenfalls.
    »Und wenn die Kurtisanen sich beklagen, bringt Momoko falsche Anschuldigungen gegen sie vor, sodass ihre Strafe verschärft wird und sie länger in den Bordellen arbeiten müssen. Nein, ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass Momoko selbst einem Mord zum Opfer fällt, als dass sie jemanden tötet«, sagte Fujio. »Wahrscheinlich hat sie die Haarnadel in Wisteries Gemach verloren. Nitta hat sie dann entdeckt und als Mordwaffe benutzt, um die Schuld von sich auf jemand anderen zu lenken.« Der hokan bedachte Sano mit einem bedeutungsvollen Blick. »So wie er es bei mir versucht hat.«
    »Und nun erwidert Ihr Nitta den Gefallen«, sagte Sano, den ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam. Dass sowohl Fujio als auch Nitta sich mit allen Mittel zu schützen versuchten, machte ihre gegenseitigen Anschuldigungen noch zweifelhafter, als sie ohnehin schon waren.
    »Was einem Böses angetan wird, sollte man mit gleicher Münze zurückzahlen, sage ich immer.« Fujio lächelte. »Werdet Ihr mich jetzt festnehmen, oder kann ich gehen? Ein Saal voller Kunden wartet auf mich. Sie werden sehr wütend sein, wenn ich nicht für sie spiele.«
    »Ihr könnt gehen«, sagte Sano. »Vorerst.«
    Als er beobachtete, wie Fujio davoneilte, fragte sich Sano, ob der hokan ihn hereingelegt oder ihm den Schlüssel zur Lösung des Falles geliefert hatte. Es fiel Sano schwer, sich Fujio als Mörder vorzustellen, doch wer so viel Charme und schauspielerische Begabung besaß wie er, konnte lügen und seine Eifersucht und seinen mörderischen Zorn vertuschen. Sano beschloss, Fujio von seinen Ermittlern beobachten zu lassen.
    Seine Enttäuschung und das Gefühl der Hilflosigkeit nahmen zu, als er sich eingestehen musste, dass seine Ermittlungen an diesem Abend ihn der Lösung des Falles keinen Schritt näher gebracht, sondern lediglich neue Fragen aufgeworfen hatten. Nun musste er auch noch Zeugen suchen, die Nittas und Fujios Geschichten entweder bestätigen oder als Lügen entlarven konnten. Außerdem war das Geflecht persönlicher Beziehungen jener Personen, die mit diesem Fall zu tun hatten, noch komplizierter und verwirrender geworden.
    Die Dämmerung senkte sich über Yoshiwara. Der Himmel im Westen glühte kupferfarben. Als Sano die Reihen der Bordelle entlangging, als er nachdenklich in Richtung der Ageyachō-Straße schlenderte, schienen in der zunehmenden Dunkelheit die Laternen heller zu leuchten, die Menschenmengen lauter zu lärmen und die Musik fröhlicher zu klingen. Sano sah yoriki Yamaga und eine Gruppe weiterer Polizeibeamter, die vermutlich auf der Jagd nach denselben Informationen waren wie er selbst. Er dachte an Reiko, die sich an diesem Morgen auf die Suche nach Hinweisen über den Verbleib Wisteries begeben hatte.
    Was hatte sie herausgefunden?
    Sano hoffte, dass Wisterie noch lebte. Sie war vielleicht der einzige Mensch, der ihm berichten konnte, was in dem Schlafgemach im ageya Owariya in der Mordnacht wirklich geschehen war.

10.

     
    V
    ier Träger stellten auf dem Hof von Sanos Anwesen eine Sänfte ab. Die Tür öffnete sich, und Reiko stieg aus. Kaum stand sie in der kühlen Abenddämmerung, kam eine schluchzende Midori aus der Villa und eilte auf Reiko zu.
    »Midori! Was ist geschehen?«, fragte Reiko und schloss die Freundin in die Arme.
    »Oh, Reiko- san , es war schrecklich!«, rief Midori unter Tränen und erzählte von dem miai . Reiko

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