Der Verrat
Wasser in der Wanne erschien ihr wie ein Trugbild, doch Himmelsfeuer war bereits dabei, sich die feuchte, schmutzige Kleidung auszuziehen. Nun begann auch Wisterie, sich zu entkleiden, so schnell ihre kältestarren Finger es erlaubten, und ließ nur das Tuch um den Kopf. Dann ging sie zur Wanne, wobei ihre nackten Füße blutige Flecken auf dem Fußboden hinterließen, und stieg ins heiße Wasser, wo sie sich, wie auch Himmelsfeuer, die Haut mit einem Seifenbeutel abrieb. Schließlich gossen sie sich Eimer voll kaltem, klarem Wasser über den Kopf und ließen sich bis zu den Schultern ins Bad sinken.
Das heiße Wasser umhüllte Wisterie, und sie seufzte wohlig. Die Schmutzschicht, die auf dem Wasser trieb, beachtete sie ebenso wenig wie den modrigen Geruch, der die Badestube erfüllte. Ihre Erleichterung und Müdigkeit waren viel zu groß, als dass sie sich Gedanken darüber machte, was als Nächstes geschah. Sie schloss die Augen und lehnte sich gegen den Wannenrand.
»Mach es dir gar nicht erst zu gemütlich«, sagte Himmelsfeuer. »Wir können nicht bleiben. Irgendwann werden die Soldaten auch hier erscheinen, und dann müssen wir verschwunden sein.«
»Bitte lass uns noch ein bisschen warten«, sagte Wisterie schläfrig.
Doch Himmelsfeuer bewegte sich so unruhig, dass das Wasser plätscherte. »Hier in Edo gibt es keinen sicheren Ort für uns. Wir hätten schon heute Morgen über die Fernstraße verschwinden sollen, wie ich es vorhatte. Aber nein – du musstest ja bleiben!«
Der Vorwurf Himmelsfeuers alarmierte Wisterie und riss sie aus dem trägen Schlummer. Himmelsfeuer starrte sie an, ein boshaftes Funkeln in den Augen.
»Deinetwegen werden wir jetzt wie Tiere gejagt«, stieß er hervor. »Deinetwegen leben wir vielleicht nicht mehr lange genug, um unsere Freiheit genießen zu können!«
Wisterie setzte sich auf, legte die Hände um die Knie und zog sie an die Brust. »Aber wir müssen bleiben«, sagte sie mit Nachdruck, auch wenn sie sich vor seinem Zorn fürchtete. »Das gehört zum Plan.«
»Es ist dein Plan, nicht meiner. Ich war ein Narr, dass ich damit einverstanden war!«, stieß Himmelsfeuer verächtlich hervor. »Wir werden uns noch heute Abend auf die Reise machen. Was kümmert es uns, was wegen des Mordes unternommen wird?«
»Dir mag es egal sein, aber mir nicht! Ich muss es wissen!«, sagte Wisterie. »Wir können noch nicht fort!«
Früher an diesem Tag hatte Himmelsfeuer ein Zeitungsblatt besorgt, in dem von den Ermittlungen des sōsakan-sama im Mordfall Mitsuyoshi berichtet wurde. Wisterie hatte von der Verhaftung ihrer yarite gelesen, deshalb wollte sie nun wissen, was mit Momoko geschehen war und ob noch andere Personen mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht wurden, denn in der fernen Provinz, in der sie und Himmelsfeuer sich niederlassen wollten, würde sie diese Neuigkeiten wohl niemals erfahren. Sie musste wissen, welchen Fortgang die Ereignisse nahmen – trotz der Gefahr.
Das Gesicht Himmelsfeuers lief vor Zorn rot an. »Ist die Befriedigung deiner Neugier dir wichtiger als mein Leben?«
»Nein, natürlich nicht!« Wisterie schreckte so heftig zurück, dass sie mit dem Rücken gegen den Wannenrand prallte.
Himmelsfeuer lachte bitter auf. »Ich hätte wissen müssen, dass du mich nur benutzt. Ich bin dir gleichgültig, nicht wahr?«
»Das stimmt nicht«, sagte Wisterie, streckte unter Wasser die Hand nach ihm aus und berührte sein rechtes Bein. Er zuckte bei der Berührung zusammen. »Ich liebe dich.« Wenn die starke, mit Furcht, Lust und Faszination durchsetzte Anziehungskraft, die Himmelsfeuer auf sie ausübte, der Liebe gleichkam, dann liebte sie ihn tatsächlich. »Deine Sicherheit ist mir wichtiger als meine eigene.« Denn ohne ihn konnte sie nicht überleben.
»Ich glaube dir nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf, doch als Wisterie die Hand um sein Glied legte und es zu streicheln begann, sodass es sich aufrichtete, stöhnte er auf.
»Würdest du mich wirklich lieben, hättest du mich nicht in all die Schwierigkeiten gebracht«, sagte Himmelsfeuer mit bebender, heiserer Stimme.
Wisterie blickte ihn ungläubig an und zog die Hand zurück. Zorn stieg in ihr auf. » Ich habe dich in Schwierigkeiten gebracht?«, fragte sie und vergaß alle Vorsicht. »Ich bin nicht schuld, dass wir nun gejagt werden. Ich bin nicht diejenige, die um ein Haar alles zerstört hätte!«
»Du gibst mir die Schuld?« Das Wasser platschte, als Himmelsfeuer zu ihr herüberkam.
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