Der Verrat
geht.«
Der Kammerherr zeigte sich unbeeindruckt vom leisen Zorn in Hoshinas Stimme. »Es gibt Dinge, über die man nicht freiheraus sprechen sollte«, entgegnete er. »Selbst auf meinem eigenen Anwesen treiben Spitzel ihr Unwesen. Ich habe dir bereits gesagt, dass ich gewisse Pläne verfolge. Wie diese Pläne aussehen, musst du selbst herausfinden. Aber merk dir eins: Du wirst nichts unternehmen, um den Waffenstillstand zu brechen.«
Hoshina wollte widersprechen, hielt dann aber inne, als er den Ausdruck der Entschlossenheit auf Yanagisawas Gesicht bemerkte. Der Kammerherr kicherte.
»Nun schau nicht so enttäuscht«, sagte er. »Hab Geduld. Ich verspreche dir, du wirst zufrieden sein mit dem, was geschieht.«
Nur zu gern hätte Hoshina dem Kammerherrn geglaubt, doch er konnte sich nicht auf den Erfolg von Plänen verlassen, die er nicht einmal kannte, oder blind den Worten eines so unberechenbaren Mannes wie Yanagisawa vertrauen. Hoshina betrachtete Sano noch immer als die größte Bedrohung der Machtstellung des Kammerherrn und seines eigenen Aufstiegs im bakufu . Deshalb musste er einen Weg finden, selbst für sein berufliches Weiterkommen zu sorgen, auf Sanos Kosten, doch ohne sich dabei über Yanagisawas Verbote hinwegzusetzen. Aber wie sollte er das anstellen? In seinem Innern kämpfte sein Ehrgeiz mit dem lähmenden Gefühl der Hilflosigkeit.
Yanagisawa lächelte; in seinen dunklen Augen schienen Flammen zu tanzen. »Und nun lass uns nicht mehr über Politik reden«, sagte er. »Für heute Abend ist es genug.«
Welche offenen oder versteckten Hinweise des Kammerherrn Hoshina zuvor entgangen sein mochten – diesmal deutete er den Beiklang in der Stimme Yanagisawas richtig und wusste, was das liebevolle Lächeln und die lockend ausgestreckte Hand zu bedeuten hatten. Hoshina selbst überkam nun heftiges Verlangen, und sein Glied richtete sich auf, doch er gab seiner Begierde nicht nach. Noch immer ärgerte es ihn zu sehr, vom Kammerherrn zurechtgewiesen, verspottet, gemaßregelt und vor Rätsel gestellt worden zu sein. Und nun erwartete Yanagisawa von ihm, dass er dessen sexuelle Lust befriedigte! Hoshinas Stolz sträubte sich dagegen, und für einen Moment hasste er seinen Geliebten sogar.
Dann aber verdrängte seine sexuelle Gier den Zorn, ja, Hoshina sehnte die Intimitäten herbei, denn er wollte den Beweis, dass der Kammerherr ihn immer noch liebte. So ließ er sich von Yanagisawa zum Bett ziehen, dem einzigen Ort auf der Welt, an dem es keinen Unterschied in Ansehen und Macht zwischen ihnen gab.
Fürstin Yanagisawa stand vor dem Gemach ihres Mannes und spähte durch einen Spalt in der Wand. Sie beobachtete, wie die nackten, schwitzenden Leiber der beiden Männer sich voller Lust und Leidenschaft wanden. Das Gesicht der Fürstin war unbewegt, als sie dem Stöhnen und Keuchen lauschte. Als Yanagisawa und sein Geliebter gemeinsam den Höhepunkt erreichten, stieß sie leise den Atem aus, drehte sich um und ging den dunklen, leeren Flur hinunter.
14.
E
in Trupp Soldaten marschierte durch das Händlerviertel Nihonbashi. Von ihren Fackeln stieg Rauch in die Nachtluft, und ihre Schritte hallten laut in der Stille. Vor jedem Haus blieben sie stehen und hämmerten mit den Fäusten an die geschlossenen Türen und Fensterläden.
»Macht auf!«, riefen sie. »Auf Befehl des sōsakan-sama des Shōgun, kommt heraus und zeigt euch!«
Männer, Frauen und Kinder, in ihre Schlafgewänder gekleidet, strömten auf die Straße, schaudernd vor Furcht und Kälte. Der Vorsteher der Wohnviertelgemeinschaft trieb die Leute an, sich in einer Reihe aufzustellen. Dann schritten er und der Hauptmann von Sanos Suchtrupp mit einer amtlichen Liste des Wohnviertels die Reihe ab und fragten jeden nach Namen und Wohnung, wobei sie besonders nach Frauen Ausschau hielten, die nicht auf der Liste standen. Derweil durchkämmten die Soldaten die Gebäude auf der Suche nach versteckten Personen, wobei sie in eine Spielhölle hineinplatzten, sodass die illegalen Kartenspiele ein abruptes Ende fanden. Die Soldaten trieben die Spieler ins Freie.
Der plötzliche Aufruhr weckte Wisterie und Himmelsfeuer, die in ihrer Kammer im hinteren Teil dieser Spielhölle schlummerten. Himmelsfeuer schleuderte die Decke zur Seite, die über seinem stämmigen Körper lag, und sprang auf, von einer Sekunde auf die andere hellwach, während Wisterie erschöpft und verwirrt liegen blieb.
»Was ist?«, murmelte sie.
»Steh auf«, befahl
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