Der Verrat
ihr gestohlen, was sie am meisten begehrte. Ihre Liebe zu Yanagisawa wurde von Hass umhüllt, wie dornige Ranken sich um einen Baum winden.
Dann hörte sie Hoshinas Stimme. »Ich weiß jetzt, was Ihr gemeint habt, als Ihr sagtet, dass der Mord an Fürst Mitsuyoshi uns nicht nur die Gelegenheit verschafft, Sano loszuwerden, sondern uns noch viele andere Möglichkeiten eröffnet.«
Der Kammerherr lächelte erwartungsvoll. »Nur weiter.«
Fürstin Yanagisawa versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten und ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu lenken, denn sie wollte wissen, was ihr Gemahl vorhatte – zum einen, weil seine Pläne Auswirkungen auch auf sie und Kikuko haben konnten, zum anderen, weil es für sie die einzige Möglichkeit war, überhaupt etwas in Erfahrung zu bringen.
»Jetzt, wo Mitsuyoshi verschwunden ist, braucht der Shōgun einen neuen Erben.« Hoshina hielt inne, beobachtete den Kammerherrn und wartete auf irgendeine Regung. Als Yanagisawas Lächeln breiter wurde, fuhr er fort: »Der neue Erbe muss ein junger Mann von angenehmem Äußeren und mit guten Umgangsformen sein.«
»Allerdings.« Yanagisawa rieb sich das Kinn und betrachtete Hoshina mit einem Ausdruck von Stolz und Zufriedenheit, wie ein Lehrer seinen Musterschüler anschaut.
»Außerdem muss er mit den Tokugawa blutsverwandt sein, damit die Macht in den Händen des Klans bleibt.« Hoshina verstummte für einen Moment, warf Yanagisawa einen vielsagenden Blick zu und fuhr mit einer Stimme fort, die voller unausgesprochener Andeutungen war: »Wenn Ihr das nächste Mal Euren Sohn besucht, richtet ihm bitte meine besten Wünsche für eine Zukunft in Macht und Reichtum aus. Ich hoffe, er wird in Euren Händen ebenso formbar sein wie der Mann, dessen Name ich nicht aussprechen möchte.«
Der Kammerherr lachte und musterte Hoshina mit einem liebevollen und anerkennenden Blick. »Ich wusste, du würdest verstehen.«
Er schmiedete ein Komplott mit dem Ziel, seinen eigenen Sohn auf den Thron zu bringen und den Jungen dann als Werkzeug zu benutzen, selbst das Land zu regieren! Der Plan ihres Mannes war so verschlagen und wagemutig, dass es Fürstin Yanagisawa schier den Atem raubte.
»Aber wie wollt Ihr das bei so vielen Rivalen erreichen?«, fragte Hoshina. »Die verschiedenen Zweige des Tokugawa-Klans werden ebenfalls versuchen, geeignete Verwandte als Anwärter für die Nachfolge des Shōgun in den Vordergrund zu rücken. Alle, die einen Anspruch auf das Amt des Militärdiktators haben, sind entweder nach Edo unterwegs oder befinden sich bereits im Palast und versuchen, eine Audienz beim Shōgun zu erhalten. Habt Ihr die Menschenmenge im Vorzimmer gesehen?«
»Ich habe den Shōgun bereits dazu gebracht, dass er Yoritomo eine Audienz gewährt«, sagte Yanagisawa mit unerschütterlicher Zuversicht. »Die Ähnlichkeit des Jungen mit mir wird den Shōgun an unsere erste Begegnung erinnern. Er wird sich wieder jung fühlen und den Reiz der Verlockung spüren.« Er lachte leise. »Diese Erinnerungen, gepaart mit Begierde, werden ihn für eine Zusammenarbeit sehr empfänglich machen.«
Er wollte dem Shōgun sein eigen Fleisch und Blut wie eine Ware feilbieten! Doch nicht einmal diese Verderbtheit konnte die Liebe der Fürstin zum Kammerherrn mindern – es war ihr egal, was mit den Bastarden geschah, die er mit anderen Frauen gezeugt hatte.
»Soll Euer Sohn in Eure Fußstapfen treten, was Euer intimes Verhältnis zum Shōgun betrifft?«, fragte Hoshina und verschränkte die Arme vor der Brust. Im Unterschied zu Yanagisawa waren ihm seine Bedenken anzusehen.
Schweigend nahm der Kammerherr einen Zug an seiner Pfeife, und für einen Moment wirkte er besorgt. »Es mag grausam erscheinen, aber es ist für mich und Yoritomo unabdingbar. Ich könnte ihm zwar aus eigener Macht einen hohen Posten im bakufu verschaffen, aber bestimmte Ämter kann er nur dann erlangen, wenn ihm besondere Vergünstigungen zuteil werden.«
Fürstin Yanagisawa wusste, dass er Recht hatte. Der Junge würde niemals Shōgun werden, wenn Tokugawa Tsunayoshi ihn nicht als Geliebten und adoptierten Sohn akzeptierte.
»Und wenn ich meinen Einfluss nicht bis in die nächste Generation hinein geltend machen kann, wird keiner von uns einen Wechsel an der Spitze des bakufu überleben«, fuhr der Kammerherr fort.
Fürstin Yanagisawa nickte stumm auf ihrem Horchposten. Sie wusste, dass die Feinde ihres Mannes nur auf die Gelegenheiten warteten, die sich nach dem Tod
Weitere Kostenlose Bücher