Der Verrat Der Drachen: Roman
Füße versuchten, Halt in den Fugen zu finden. Sie war entsetzlich schlecht darin, langsam; ihre Arme zitterten, ihre Füße rutschten ab, und Shaan hatte das fürchterliche Gefühl, dass sie es nicht schaffen würde.
»Komm schon«, feuerte sie sie an. Es gab keine Möglichkeit für sie, zu versuchen, Nilah zu folgen, bis sie zumindest auf halbem Weg war. Die Wachen hatten die Männer gezwungen, sich bis zu ihnen zurückzuziehen. Rafe hatte zwei von ihnen zur Reglosigkeit verführt, aber es waren einfach zu viele. Drei begannen auf die Mauer zuzurennen; Aran und Rafe waren nicht in der Lage, sie aufzuhalten, weil sie gegen drei andere kämpften.
Die Führerin war die Mauer erst halb hinauf. Shaan konnte nicht länger warten. Sie biss die Zähne zusammen, packte das schwankende Seil und begann zu klettern; ihre Haut kribbelte, da sie jeden Augenblick damit rechnete, die Hände der Wachen auf ihren Beinen zu spüren.
»Weiter, weiter!«, rief sie hinauf zu Nilah, während sie sich, Hand über Hand, selbst hochzog, so schnell sie konnte. Ihr linker Arm schmerzte, während sie schwitzte und keuchte; der raue Stein schrammte ihr die Hände auf. Nilahs Augen weiteten sich, als sie die Wachen sah, die auf sie zurannten. Doch die Bedrohung bewirkte auch, dass sie sich nun schneller bewegte. Shaan berührte schon fast ihre Füße, als die junge Frau sich auf die breite Mauerkrone rollte.
»Mach Platz«, keuchte Shaan, als sie sich hochzog. Die Wachen waren eine Armeslänge entfernt.
»Zieh das Seil hoch!«, brüllte sie Nilah zu und zerrte daran. Gemeinsam rollten sie es auf, so dass das Ende tanzte, gerade so eben außer Reichweite des ersten Wachsoldaten. Er brüllte vor Enttäuschung. »Klettere auf der anderen Seite hinunter«, sagte Shaan, aber die jüngere Frau hörte nicht; sie starrte hinunter in den kleinen Hof.
»Shaan …«, sagte sie. Eine Reihe von Wachen stand auf der Rückseite des Lagerhauses und hielt Armbrüste, deren Bolzen auf sie gerichtet waren.
»Ihr da«, rief der Wachsoldat am Ende der Reihe zu ihnen herauf. »Kommt herunter, oder wir schießen.«
Shaan erstarrte, das Seil noch immer in den Händen.
»Wie kannst du es wagen, auch nur daran zu denken, die Führerin zu bedrohen?«, rief Nilah.
Die Männer rührten sich nicht, und Shaan sah, dass es sich nicht um Palastwachen handelte. Derjenige, der gesprochen hatte, hielt seine Armbrust weiter ruhig auf ihre Brust gerichtet. »Kommt jetzt herunter«, wiederholte er.
Tallis , rief Shaan und spürte ihn binnen eines Augenblicks.
Ich weiß. Wir kommen.
»Legt die Waffen nieder!«, schrie Nilah den Männern unten zu. »Ich befehle es euch!«
»Nilah«, sagte Shaan ruhig. »Das sind Lorgons Männer. Sei vorsichtig!«
»Sie können mich doch nicht erschießen!« Nilahs Ton war ungläubig. Als sie sich umschaute, sah Shaan, dass ihre Verfolger umgekehrt waren, um Aran und Rafe anzugreifen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie überwältigt wurden.
Beeil dich! , schickte sie an Tallis, und in dem Moment spürte sie das auflodernde Feuer seiner Präsenz heller werden wie eine Flamme, die ins Leben gerufen wurde. Ein durchdringender Schrei ertönte in der Luft – ein Kreischen wie von einem Raubvogel –, und eine Streitmacht von Drachen schob sich über die Palastmauern. Zum selben Zeitpunkt ging die Sonne am Horizont auf und stieg hinter den dunklen Flügeln der Drachen hoch; die fahlen Strahlen glitzerten auf ihrer Haut. Sie waren eine Armee aus Klauen und Krallen, riefen in kehligen Lauten und erzeugten misstönenden Lärm.
Die Männer unten drehten sich um und starrten fassungslos gen Himmel, die Armbrüste noch immer erhoben, beobachteten, wie die Drachen über sie kamen. Shaan blinzelte gegen die Sonne an und erkannte Tallis’ Gestalt tief über Marathins Hals geduckt; er führte sie an. Attar saß auf einem kleineren Drachen an seiner Seite. Die Männer unten gerieten in Panik und schossen Armbrustbolzen in den Himmel, während der Schwarm auf sie zukam.
»Duck dich!«, rief Shaan Nilah zu und legte sich flach auf die Mauer, als ein Drache so knapp über sie hinwegfegte, dass sie seinen moschusartigen Geruch wahrnehmen konnte. Der Drache stürzte sich in einer Spirale herab, legte sich dabei auf die Seite und zog einen stachelbesetzten Flügel über die Männer auf dem Hof. Rufe und Schreie ertönten, als sie zu Boden stürzten. Auf der anderen Seite der Mauer im Garten griffen weitere Drachen die Wachen an, die gegen Aran
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