Der Verrat Der Drachen: Roman
Stadt gespielt hatte.
Tuon nahm es überraschend gelassen auf, als sie von ihrer Verbindung zu Tallis, seiner Macht und ihrem eigenen seltsamen Drang zu heilen erzählte – obwohl sie nicht von der Art und Weise sprechen konnte, auf die sie den Mann im Palast getötet hatte, dieser Dunkelheit, die aus ihr hervorgeströmt war. Sie war zu neu und glich zu sehr dem, was Azoth bewirken konnte, und Shaan hatte Angst, den gleichen Ausdruck in Tuons Augen zu sehen, den sie in Nilahs und Arans wahrgenommen hatte: Argwohn, Verhaltenheit. Also erzählte sie ihr nur von dem, was sie für den Mann im Tempel der Schwestern getan hatte, von der feurigen Energie, die damit einhergegangen war; danach kam sie auf Rorc und Mailun zu sprechen. Sie rang um Worte, da sie von Tuons Gefühlen für Rorc wusste und wie seltsam es für sie sein würde, nachdem sie gerade Mailun kennen gelernt hatte. Was würde sie nur denken?
Tuon wurde blass und lehnte sich gegen die raue Rinde eines Baums zurück.
»Ich mag deine Mutter, sie wirkt … stark«, sagte sie am Ende. »Aber es ist schwer, sich Rorc als irgendjemandes Vater vorzustellen.«
»Ich weiß.« Shaan blutete das Herz für sie.
»Meine engste Freundin … Seine Tochter. Und jetzt seine alte Liebe, deine Mutter, ebenfalls hier. Seltsam, wie das Leben so spielt.« Ihr Lächeln war brüchig. »Wie steht es zwischen ihnen? Wie geht es ihm?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe sie nicht miteinander reden sehen. Sie halten Abstand voneinander.«
»Ah!« Tuon nickte. »Die Bande einer unterbrochenen Liebe.«
»Ich weiß nicht, ob es so ist«, sagte Shaan rasch. »Es ist lange her, und Mailun scheint wütend auf ihn zu sein. Ich glaube nicht …«
»Es spielt keine Rolle. Ich habe dir doch gesagt, dass ich die Hoffnung schon vor Jahren aufgegeben habe. Aber was ist mit dir und Balkis? Du hast nichts gesagt, aber ich habe den Ton deiner Stimme gehört, Shaan. Warst du mit ihm im Bett? Und bemüh dich nicht erst, mich zu belügen, ich sehe es doch deinen Augen an!«
Shaan sah sie reumütig an. »Du wechselst das Thema.«
»Ich weiß, aber bitte lass mich.« Das Aufflackern von Kummer in Tuons Augen war nicht zu übersehen.
»In Ordnung. Balkis.« Shaan zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht so recht, was zwischen uns ist, aber ja, ich habe mit ihm geschlafen – allerdings nicht in einem Bett.«
Tuon lächelte. »Ich verwette meinen Geldbeutel, dass er gut war«, sagte sie. »Er hat ja schließlich einige Übung. Aber wann wirst du ihn wiedersehen?«
»Ich weiß es nicht. Wenn wir die Clans aus der Wüste zur Jägerklippe führen.«
Tuon beugte sich vor, um den Stein, den Shaan um den Hals trug, zu berühren. »Hat er dir diesen Anhänger geschenkt?«
»Ja.« Shaan hob ihn an und strich mit einem Finger über die glatte Oberfläche.
»Dann solltest du dir keine Sorgen machen, wie es zwischen euch steht. Ein Mann schenkt einer Frau nicht aus einer Laune heraus so etwas – sogar Balkis mit all seinem Kaufmannssohngeld nicht. Du wirst ihn wiedersehen.«
Aber wann? Shaan spürte die nagende Furcht zurückkehren, die sie in den Klauen hielt und ihr sagte, dass es weit länger dauern würde als eine bloße Reise, bevor sie Balkis wiedersah.
Der Proviant wurde geliefert, und bevor die Sonne im Zenit stand, hatten die Glaubenstreuen die Vorräte aufgeteilt und auf den Rücken der acht Drachen befestigt, die sie tragen sollten. Insgesamt waren sie fünfzehn Leute, also trug jeder Drache zwei, abgesehen von dem, auf dem ein einzelner Verführer ritt.
Es hatte zu regnen aufgehört; schwache Sonnenstrahlen dran gen durch die Wolkendecke und ließen die feuchten Kleider dampfen. Shaan war eingeteilt worden, mit Nilah auf Asrith zu reiten, während Tuon hinter einem der Jäger auf einem anderen Inseldrachen saß. Shaan war erstaunt, wie schnell das Gefühl, die Drachin unter sich zu haben, vertraut wurde; ihre Haut war unter Shaans Hand warm und rau. Asrith drehte sich um und stieß einen kurzen, heißen Atemzug aus.
Ein langer Weg liegt vor uns, Arak-si , sagte sie. Ihre Geiststimme war anders als Nuathins, fester, aber, wie Shaan spürte, vielleicht nicht ganz so alt.
Bis zu den Clans, meinst du? , antwortete Shaan. Asrith schnaubte erneut; in ihrem Blick stand ein Wissen, das Shaan nicht entschlüsseln konnte.
»Wie lange werden wir auf den Drachen reiten?« Nilah kletterte herauf, um sich hinter Shaan zu setzen, und unterbrach ihre Gedanken.
»Du nur zwei Tage lang«, sagte Shaan.
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