Der Verrat Der Drachen: Roman
Er wusste, dass sie nichts sagen konnte.
Er atmete aus. »Wann?«
»Wann was?«
»Wann brichst du auf?«
»Bald.«
»Wirst du nach den Vieren suchen? Ist es das, was Sabut dir befohlen hat? Sollst du sie in die Schlacht führen, ihnen helfen, Azoth zu besiegen?«
»Du weißt, dass ich es dir nicht sagen kann«, sagte sie traurig.
Missmut ließ seine Stimme heiser klingen. »Warum haben die Führer uns zusammengebracht, um uns dann wieder auseinanderzureißen?« Er suchte in ihrem Gesicht nach Antworten, aber sie konnte nur den Kopf schütteln und fühlte sich erbärmlich, als sie seine Hand ergriff.
33
A m nächsten Morgen begannen die Trommeln schon vor der Dämmerung zu dröhnen, hallten in den Tunneln und Höhlen des Brunnens wider und weckten sie alle. Tallis war zu verstört, um zu essen, und Shaan und seine Mutter saßen, eine so blass wie die andere, neben ihm, als Rorc den Türvorhang beiseiteschlug. Pilar war schon gegangen, um Irissa zu suchen.
»Bist du bereit?«, fragte Rorc leise.
Tallis bemerkte, dass er sich rasiert hatte, was aber nur dazu beitrug, die Anspannung seines Kiefers zu unterstreichen.
»So bereit, wie ich nur sein kann.« Er stand auf; Shaan und Mailun erhoben sich mit ihm.
»Die Eskorte wartet in der großen Höhle auf dich«, sagte Rorc, machte eine Pause und sagte dann: »Du weißt, dass Karnit das hier zu nutzen versuchen wird, um dich zu töten – ganz gleich, was die Clangesetze sagen?«
Mailuns Gesicht wurde noch blasser, aber Tallis nickte; innerlich war er so angespannt wie eine Bogensehne. »Ich weiß.«
»Dann vergiss nicht, was er dir schon genommen hat, was er dir noch nehmen will, und schlag rasch zu«, sagte Rorc. »Kein Zögern.«
»Ich werde ihn nur töten, wenn ich muss«, sagte Tallis, und der Blick aus Rorcs grünen Augen wurde kalt.
»Er wird dir keine Wahl lassen; er hat zu viel zu verlieren. Das hier ist Krieg, Tallis. So ist das: Blut, Tod.«
»Ich weiß«, antwortete er, aber Rorc sah zweifelnd drein.
»Du musst das nicht tun, Sohn.« Mailun legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Doch, er muss«, sagte Shaan, »aber er wird nicht verlieren. Und wenn er verletzt wird, kann ich ihn heilen.« Zeig ihnen, wer du bist , flüsterte ihre Stimme in seinem Verstand.
»Kommt.« Er schlug den Türvorhang beiseite. »Sie warten.«
Vier Krieger empfingen sie in der großen Höhle, die jetzt leer war; alle Leute waren im Freien. Die Trommeln waren verstummt, und Tallis’ Eingeweide waren in Aufruhr, als hätte er etwas Verdorbenes gegessen. Er folgte Thadin hinaus; die anderen Krieger ließen sich zurückfallen, um sie zu flankieren.
Clansmänner, Frauen und Kinder bildeten ein Spalier beiderseits des Eingangs und zeichneten so den Weg zu dem Platz auf dem Sand, wo Karnit und die anderen Anführer warteten. Ernste Blicke folgten ihnen, als sie vorübergingen. Kinder standen stumm mit weit aufgerissenen Augen da; irgendwo weit hinten in der Menschenmenge schrie ein Säugling und wurde rasch zum Schweigen gebracht.
Der Himmel war wolkenlos und noch fahl von der Morgendämmerung. Eine Gruppe junger Jalwalah-Männer beobachtete, wie Tallis vorüberging; ihre Gesichter waren hart und verschlossen. Er kannte all ihre Namen, aber sie verhielten sich, als sei er ein Außenstehender. Er kam an Irissa vorbei, die mit ihrer Mutter und ihrem Vater an der Seite stand. Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen; sie hatte die Arme fest vor der Brust verschränkt, und er musste den Blick abwenden, bevor er die Furcht in ihren Augen sehen konnte. Er konnte sich keine Ablenkung leisten. Stattdessen konzentrierte er sich auf Shaans helle, stetige Präsenz und die heiße Kugel unruhiger Kraft, die in seinem Innersten lauerte. Zeig ihnen, wer du bist . Hatte sie recht?
Verzweifeltes Unbehagen überkam ihn. Er wollte dies wie ein Clansmann ausfechten, wie ein Clansmann gewinnen, aber er wusste nicht, ob er es konnte. Ob er in der Lage sein würde, sich davon abzuhalten, seine Kraft einzusetzen.
Karnit stand mit bloßem Oberkörper in der Mitte des großen Kreises, den die Zuschauer bildeten. Die vier Anführer der anderen Clans standen im Hintergrund, ein Krieger zu ihrer Linken und die sechs Mitglieder des Führerkreises der Jalwalah zu ihrer Rechten. Unter ihnen war Miram, deren Gesichtsausdruck gleichmütig war.
Tallis trat vor und ließ Shaan, seine Mutter und seinen Vater am Rand des Kreises zurück. Tief in ihm pulsierte etwas in seinem Blut.
»Tallis«,
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