Der Verrat Der Drachen: Roman
abzubrechen, wusste aber nicht wie und schrie auf, während sie zugleich ihre Heilkraft zwang, schneller zu arbeiten, die Blutung zu stillen, die Adern neu zu formen und die durchbohrten Organe zu versiegeln. Tränen liefen ihr über die Wangen, und wie betäubt spürte sie, dass Tallis ihre Hand auf seiner Wunde ergriff, als sie ihr Licht aus ihrem eigenen Körper zog und es in seinen stieß. Sie machte Gewebe und Adern wieder ganz, aber das Zusammenfügen seiner Haut war beinahe mehr, als sie fertigbringen konnte, und sie hätte nicht einmal dann umhingekonnt, eine Narbe zu hinterlassen, wenn sie es nicht gewollt hätte. Am Ende, als sie die Hand wegzog, verlief eine runzlige, hässliche Linie über seine Körpermitte; die Haut war in einem zornigen Dunkelrot grob wieder miteinander verschmolzen.
Shaan fiel zitternd hintenüber; sie sah nur noch verschwommen. Rorc ließ Mailun los; sie rannte zu ihnen und berührte mit zitternden Händen Tallis‘ Wunde und sein Gesicht. Sie weinte, als Rorc Shaan auffing, die aufstand und beinahe wieder umfiel.
»Sachte«, murmelte er.
»Sohn?«, flüsterte Mailun, und Tallis schlug die Augen auf.
»Mutter«, krächzte er, »es geht mir gut.« Er ergriff ihre Hand, setzte sich langsam auf und kam dann auf die Beine.
Allgemeines Gemurmel wurde laut. Hashmael trat vor, als Tallis ein paar Schritte auf ihn zustolperte. Zwischen ihnen lag Karnits Leichnam.
»Ruhe!« Hashmael hob eine Hand, und das Raunen der Menge kam zum Erliegen.
Tallis stand leicht schwankend da und sagte dann: »Die Führer haben gesprochen.«
Hashmaels Gesicht war ernst. »Das haben sie«, sagte er.
Shaan erschauerte. Sie fühlte sich plötzlich, als ob Sabut ihr über die Schulter sah. Seine Pläne begannen Früchte zu tragen. Hinter ihnen regte sich die Drachin, stieß heißen Atem aus, wirbelte Sand auf. Shaan war unfähig, allein zu stehen, und stützte sich auf Rorc, während Hashmael und Tallis einander ansahen.
»Dieser Clan braucht einen neuen Anführer«, sagte Hashmael.
Aus dem Augenwinkel sah Shaan eine plötzliche Bewegung in der Menge, als Thadin Anstalten machte, vorzutreten; sein Gesicht war wutverzerrt, und nur Shilas Hand auf seinem Arm hielt ihn auf.
»Ich bin nicht der, der sie anführen kann«, sagte Tallis. »Ich bin kein Jalwalah mehr.« Sein Ton war gleichmütig, erschöpft. »Der Clan muss selbst wählen.«
»Sohn«, flüsterte Mailun mit gebrochenem Herzen; in ihren Augen standen Tränen. Shaan sah zu Rorc hoch.
»Lass mich zu ihm gehen«, sagte sie.
»Kannst du das?«
Sie nickte. Mittlerweile waren ihre Glieder nicht mehr ganz so taub.
Er ließ sie los, und sie ging unsicher an Tallis‘ Seite und ergriff seine Hand, so dass sie gemeinsam vor dem Clankreis standen.
Hashmael sah sie an. »Zweitgroßtochter«, begann er, »du bist von den Führern berührt.«
Sie zuckte bei diesen Worten zusammen. Hashmael ahnte nicht, wie recht er hatte. »Ja. Und es ist ihr Wunsch, dass wir gemeinsam kämpfen. Die Clans müssen sich mit uns gegen Azoth verbünden«, sagte sie. »Das ist die einzige Möglichkeit, die Hoffnung bietet, dass überhaupt jemand überleben wird.«
Sein Gesicht zeigte noch immer etwas Abweisendes. »Die Entscheidung liegt nicht allein bei mir«, erwiderte er.
»Wir sind dazu geschaffen, gegen den gefallenen Gott zu kämpfen«, sagte Tallis. »Ihr seht, dass wir die Kraft haben, das auch zu tun. Schließt euch uns an, folgt der Führung unseres Vaters. Wenn wir gewinnen, werden die Clans künftig gut Handel treiben können.«
»Das Versprechen ist ein Traum«, hielt Hashmael dagegen. »Ein Krieg lässt wenig übrig, womit man Handel treiben kann.«
»Der Krieg kommt ohnehin«, sagte Tallis.
Hashmael sah ihn stumm an und blickte über ihre Köpfe hinweg zu Rorc und Mailun, die neben der Drachin standen.
»Der Kreis wird es in Erwägung ziehen.«
Tallis nickte, aber es war offensichtlich, dass beide Männer schon wussten, was die anderen Clananführer sagen würden. Tallis hatte Karnit besiegt und eine Drachin herabgerufen; Shaan hatte eine tödliche Wunde geheilt. Welche Zeichen der Führer brauchten sie da noch?
»Geht«, sagte Hashmael. »Obwohl du sagst, dass du nicht zu den Jalwalah gehörst, nehmen manche sicher an, dass du es tust, besonders jetzt, und ihr habt einen Anführer zu Kaa zu schicken.« Er trat zurück und drehte sich um, um zur Menge zu sprechen.
»Der Kampf ist vorüber. Geht und macht daraus, was ihr wollt – und wählt einen
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