Der Verrat Der Drachen: Roman
will, dass meine Familie am Leben bleibt«, sagte sie.
»Du willst, dass ich sie verschone?«
»Ja. Ich will, dass du sie verschonst – sie alle, auch meinen Bruder.« Sie spürte, wie sich seine Ungeduld wie Hitze durch ihren Rücken ausbreitete.
»Er ist nicht wie du. Er hat mir einige meiner Kinder genommen.«
»Die Drachen sind freiwillig gegangen«, sagte Shaan. »Sie haben dir getrotzt; er hat sie nicht dazu gezwungen.«
»Das sagst du, aber es kann nur einen Herrn der Drachen geben, nur einen, der ihr Gebieter ist.«
Arak . Das Flüstern der vielen Stimmen strömte durch Shaans Geist, als er ihr seine Lippen noch einmal ans Ohr hielt. »Ich habe sie geschaffen«, flüsterte er. »Ich bin ihr Gott. Dein Bruder sollte mich nicht herausfordern.«
Einige der Drachen, die auf der Mauer hockten, regten sich, erhoben sich und breiteten die Flügel aus. Unter ihnen konnte Shaan Nuathin sehen, den ältesten von allen; das Licht vieler Laternen spielte auf seiner Haut.
»Und was ist mit den anderen?«, fragte sie.
»Was meinst du?«
»Die Vier …« Sie zögerte, versuchte, ihrer Stimme den richtigen Unterton zu verleihen, das passende Maß an Furcht und Unsicherheit. »Deine Brüder und deine Schwester.«
»Ich habe den Stein«, sagte Azoth. »Sie können mich nicht besiegen.«
»Aber das haben sie schon einmal getan«, sagte sie leise; zum Lohn schlossen sich seine Finger enger um ihren Hals.
»Mit Hilfe«, sagte er.
»Und sie mögen wieder Hilfe haben«, sagte sie rasch, als seine Hand sich weiter zusammenzog. Er hielt inne. »Was meinst du damit?« Sein Ton war neugierig.
»Das Volk, eine Armee«, sagte sie.
»Ein paar der sogenannten Glaubenstreuen und einige Drachen?« Azoths Tonfall war herablassend. »Sie können ihnen nicht helfen.«
»Nein, aber die Clans«, sagte sie. Shaan verabscheute, was sie gleich tun würde. Ihr war übel; der Kern ihres Verrats griff ihre Seele an wie eine Krankheit. Aber sie musste es tun. Wenn er glauben sollte, dass sie gekommen war, um ihm zu helfen, diesen Krieg zu gewinnen, dann musste sie ihm etwas Echtes geben. Etwas, von dem er wissen würde, dass es sie viel gekostet hatte. Ohne das würde sie nur seine Gefangene sein. Ohne diesen einen Verrat an allen, die sie zurückgelassen hatte, würden Sabuts Pläne sich nicht erfüllen. Vergebt mir , schrie sie in ihrem Herzen und dachte an Tallis, an Balkis, an alle, die sie liebte. »Tallis und Rorc haben die Clans vereint und werden sie gegen dich führen.«
Azoth wurde sehr still. Er ließ sie los und trat zurück, so dass sie sich zu ihm umdrehen konnte. Die Nachricht hatte ihn überrascht.
»Wüstenkrieger?«, fragte er, und seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. »Die Alten mischen sich ein, aber das spielt keine Rolle – wir sind zu viele, sie werden besiegt werden.«
»Aber um welchen Preis?«, fragte Shaan. »Du wirst nicht in der Lage sein, gleichzeitig gegen sie und die Vier zu kämpfen.«
Misstrauen trat in seine Augen. »Warum hast du mir das erzählt?«
»Ich habe Angst vor dem, was sie tun werden, wenn sie gewinnen«, sagte sie. Und das war die Wahrheit, trotz der Aufgabe, die Sabut ihr gestellt hatte; sie hatte Angst vor dem, was geschehen würde, wenn die Vier den Stein in die Hände bekamen. Sie hatte schon gesehen, was ein Gott allein anrichten konnte.
»Also willst du, dass ich siege?« Sie spürte, wie seine Macht nach ihr griff und unsichtbare Fühler sich unter ihre Haut vortasteten. Es war intimer, als wenn ihre nackten Körper sich berührt hätten, und sie zuckte zusammen, als er lächelte, da er ihre Gedanken las. »Du willst lieber den einen, den du kennst, als die Vier, die du nicht kennst.«
Shaan nickte. »Aber es gibt nur einen Weg, auf dem du sicher sein kannst, zu gewinnen«, sagte sie. »Du musst den Schöpferstein mit in die Schlacht nehmen.«
Er dachte nicht einmal über seine Antwort nach. »Nein«, sagte er schlicht. »Es darf nicht das Risiko bestehen, dass er ihnen wieder in die Hände fällt – oder irgendjemandem sonst.«
Shaans Lippen waren trocken, und ihre Haut fühlte sich fiebrig und heiß an, während sie sich bemühte, ihre wahren Gedanken vor dem sachten Vorbeistreichen seiner Macht zu verheimlichen. »Aber du musst«, sagte sie. »Wenn du den Stein in der Hand hältst, wirst du unantastbar sein – unbesiegbar.«
»Ich bin jetzt schon mächtiger als meine Geschwister. Ich kann den Stein durch mich leiten, ohne ihn zu
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