Der Verrat Der Drachen: Roman
dem Markt gehört haben, die Bilder, die wir von einem Mann und einer Frau auf Drachen gesehen haben.«
»Die Helden?«, fragte sie ungläubig.
»Wir sind keine Helden«, sagte Shaan. »Es lag an Azoth. Er ist der Grund für dies alles.«
»Wer ist Azoth?« Irissas Stimme war laut, und Shaan sah, wie mehrere Leute vor ihnen zurückwichen.
Ärger keimte in ihr auf. Diese Frau würde Unfrieden unter ihnen säen. »Wir können hier nicht darüber sprechen«, sagte sie.
»Ich spreche, worüber ich will und wo ich will«, sagte Irissa, und Mailun trat hastig an sie heran.
»Nein, das tust du nicht.« Sie sprach mit gesenkter Stimme, doch ihr Tonfall war hitzig genug, um die junge Frau zögern zu lassen.
»Es tut mir leid, Irissa. Wenn ich ihn hätte retten können, hätte ich es getan«, sagte Tallis. »Das weißt du.«
Die Härte im Gesicht der jungen Clansfrau legte sich, schwand aber nicht völlig. »Du …«
»Halt«, unterbrach Mailun sie. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt, und hier ist auch nicht der rechte Ort.« Auch sie hatte die Anspannung, die sich aufbaute, ebenfalls gespürt. »Tallis, wohin können wir gehen?«
Sein Gesichtsausdruck war erbärmlich. »Ich bringe euch in meine Unterkunft. Dort ist Platz für euch beide.«
»Gut. Holen wir also unser Gepäck.« Sie wandte sich ab.
Sie hatten in einer kleinen Herberge, die nicht weit vom Markt entfernt lag, gelebt, und die beiden Frauen holten rasch ihre Sachen und folgten Shaan und Tallis zum Wagen. Der Kutscher, der Shaans seltsame Ausflüge gewohnt war, hatte am Straßenrand gehalten und gewartet. Er ließ kein Anzeichen von Neugier erkennen, als sie zu viert einstiegen, wendete das Muthu und fuhr kommentarlos zur Drachenanlage zurück. Mailun saß neben Shaan, Tallis neben Jareds Schwester. Keiner von ihnen sprach, aber Mailun sah Shaan von Zeit zu Zeit an, wie um sich zu vergewissern, dass sie echt war, und jedes Mal, wenn Shaan sie sah, erschrak sie ein wenig; sie wirkte vertraut, aber auf eine Weise, die nicht greifbar war.
Als sie die Kuppel erreichten, brachte Tallis ihre Sachen in die Box neben seiner, und Mailun begann – mit der Gekonntheit einer Frau, die es gewohnt war, für andere zu sorgen – eine Kanne Kaf zu kochen. Sie fand Tassen, den Herd und Wasser, als wäre sie schon einmal in der Drachenbox gewesen, und gegen ihren Willen erschien Shaan diese mühelose Häuslichkeit seltsam tröstlich.
Mailun reichte ihr die Tassen. »Hier«, sagte sie, »hilf mir. Tallis verschüttet immer alles.«
Hinter ihnen saßen Tallis und Irissa stumm da, so weit voneinander entfernt, wie es nur möglich war. Als Shaan Tallis eine Tasse reichte, sah er sie mit müdem Blick an. Irissa lehnte mit einem knappen Kopfschütteln ab.
»Also, Sohn …« Mailun setzte sich auf Tallis’ Lager und stellte ihre Tasse auf den nackten Stein neben sich. »Erzähl mir, wie du so viel von dir selbst verloren hast.«
»Ist das offensichtlich?«, fragte er.
Sie hielt seinen Blick fest. »Erzähl deine Geschichte«, antwortete sie.
Tallis war einen Moment lang still, und Shaan spürte die Bürde schwer auf ihm lasten, als er die Kraft aufbot, ihnen davon zu erzählen.
»Nachdem wir aufgebrochen waren, machten wir am Gestohlenen Brunnen halt. Dort gingen sie dann auf mich los – Karnits Männer. Penrit, Relldin …« Er hielt inne und holte Luft, presste die Lippen zusammen. »Das war das Blut, das Shila gesehen hat. Ihr Blut an meinen Händen. Sie hatten vor, mir die Kehle durchzuschneiden, und taten es auch fast, aber dann … rettete Jared mich. Er kam mit einem Messer aus der Dunkelheit.«
Er machte eine Pause und sagte dann: »Er streckte zwei nieder, ich tötete einen. Dann flohen wir.«
»Aber das ist nicht das Ende deiner Geschichte«, sagte Mailun. »Da ist noch mehr, Sohn. Erzähl alles.«
Shaans Herz klopfte zu schnell, und sie wusste, dass dem so war, weil es das ihres Bruders widerspiegelte.
Tallis holte seufzend tief Luft, nickte dann und begann zu erzählen, wie er und Jared nach Salmut gekommen waren, wie er Shaan getroffen und wie alles begonnen hatte, sich zu ändern – wie sie begonnen hatten, sich zu ändern. Wie Azoth gekommen war, und wie er Jared in den Wildlanden zurückgelassen und Shaan aus den Händen des Gottes befreit hatte. Er erwähnte aber nicht alles: Er erzählte ihr nicht, dass Shaan vielleicht heilen konnte, oder von ihren Träumen, und er sagte ihr nicht, was er in dem Dorf getan hatte. Und auch noch nichts
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