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Der Verrat Der Drachen: Roman

Titel: Der Verrat Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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und Erschöpfung, nur in ein dünnes Kleid gehüllt und barfuß. Ihre Zehen waren halb abgefroren und ihre Worte fast unmöglich zu verstehen.
    Unsere Familie nahm sie auf. Sechs Monate später brachte sie ein Kind zur Welt. Ein kleiner Junge kam aus ihrem Schoß, als die Welt zu Eis wurde. Er war ein glückliches Kind, hübsch anzusehen, und verfügte über ein Lachen und einen Humor, den die anderen Kinder liebten. Einige der Ältesten sagten, dass sie glaubten, etwas Seltsames an ihm wahrzunehmen, aber wenn sie daran dachten, es auszusprechen, beschlossen sie bald, dass sie sich irrten. Welchen Schaden konnte ein Kind schon anrichten? Der Junge wurde groß und stark, während seine Mutter gebrechlich und kränklich wurde. In seinem zwölften Jahr ging sie eines Tages in die Sonnenlande über. Der Junge war lange Zeit traurig. Er unternahm allein Spaziergänge über das Eis oder verschwand tagelang in einem Kanu. Ein Mädchen aus unserer Familie gewann ihn lieb und half ihm, sich von seiner Trauer zu erholen. Sie standen einander sehr nahe, und in seinem siebzehnten Jahr tanzten sie gemeinsam den Schneetanz. Binnen eines Jahres erwartete sie ein Kind, aber die Schwangerschaft verlief nicht gut: Sie verlor das Kind schon nach drei Monaten. Erst nachdem sie drei Kinder verloren hatte, gebar sie endlich ein Mädchen.« Mailun hielt inne und strich sich das Haar über die Schultern zurück; sie schenkte Shaan ein kleines Lächeln. »Es ist eine traurige Geschichte. Im Sonnentanz nach der Geburt des Kindes brachen der Junge und das Mädchen zu ferneren Ufern auf, um zu fischen. Als sie zurückkehrten, war das Mädchen tot, und der Junge wollte nicht über das reden, was geschehen war. Er paddelte sein Kanu zurück, den Säugling vor seine Brust gebunden und seine junge Herzensgefährtin tot zu seinen Füßen. Das Mädchen wurde verbrannt, und niemand sprach je wieder davon.«
    »Was wurde aus dem Jungen?«, fragte Shaan. Die Erzählung hatte in ihr ein kaltes, beklommenes Gefühl ausgelöst.
    »Er zog das Kind allein groß, und als seine Tochter in ihrem zwölften Jahr stand, fuhr er zum Fischen an ferne Gestade und kehrte nie zurück. Jenes Mädchen ist eure Vorfahrin.«
    Sie schwiegen alle.
    »Also stammt Azoths Erbe von deiner Seite, nicht von der unseres Vaters«, sagte Tallis am Ende, und Mailun nickte.
    »Ich habe schon viele Jahre nicht mehr an jene Geschichte gedacht, aber jetzt …« Sie faltete die Hände im Schoß. »Jene junge Frau kam aus den warmen, feuchten Wäldern weit südlich der Lande der Ichindar.« Sie sah Shaan an. »Das müssen die Wildlande gewesen sein, in die er dich gebracht hat.«
    Mailun sagte nichts mehr, und Shaan war froh darüber. Sie wollte nicht über jenen Ort oder über die Ruinenstadt sprechen.
    »Wer ist unser Vater?«, fragte sie.
    »Er ist tot«, antwortete Tallis, aber Shaan sah Mailun an und sah die plötzliche Anspannung um ihre Augen herum.
    »Ja, das stimmt«, sagte sie.
    Tallis stand auf. »Shaan, wir sollten gehen. Die Führerin wartet wahrscheinlich schon auf dich – und ich muss Rorc aufsuchen.«
    Shaan rieb sich den Nacken und bemerkte, dass Mailun sehr angespannt wirkte; ihr gesamter Körper hatte sich plötzlich versteift.
    »Mutter, geht es dir gut?«, fragte Tallis.
    Mailun schien sofort Anstrengungen zu unternehmen, sich zu entspannen. »Ja, ich bin nur müde; es ist alles so seltsam.« Sie lächelte, aber nur schwach, und Shaan glaubte, etwas hinter ihren Augen zu sehen. Furcht?
    »Ihr müsst nicht hierbleiben«, sagte Tallis. »Ich kann Rorc fragen, ob wir andere Zimmer für euch finden könnten.«
    »Nein«, antwortete sie schnell, »hier sind wir besser aufgehoben. Dies ist alles, was wir brauchen. Außerdem kann ich hier das Meer riechen. Den Geruch habe ich schon viele Jahre lang nicht mehr in der Nase gehabt. Ich habe ihn vermisst.« Sie machte eine Pause. »Wer ist Rorc?«
    »Der Kommandant der Glaubenstreuen. Ich arbeite mit ihm zusammen, übe mit den Verführern und Reitern hier. Ihr könntet ihn kennen lernen, wenn ihr wollt.«
    »Nein, nein, nicht jetzt«, antwortete Mailun hastig. »Belästige ihn nicht mit uns. Ich bin mir sicher, dass er genug zu tun hat.«
    Tallis lächelte verwirrt. »In Ordnung, aber morgen solltet ihr mit uns kommen. Ich gehe jeden Morgen mit Shaan schwimmen, um ihre Glieder zu kräftigen.«
    »Heißt das, dass du endlich in der Lage bist, die Fähigkeiten zu nutzen, die ich dir beigebracht habe, Sohn?«
    »Ich bin nicht so

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