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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Leanne hilfsbereit hinzu.
    »Ich hab’s vor der Bewerbung für Goldfish Bowl aufgegeben. Es würde sowieso schon schwierig genug sein, ohne mich die ganze Zeit nach einer Kippe zu sehnen, das wusste ich.« Sie inhalierte mit dem ganzen Elan eines echten Rauchers, der es nie aufgegeben hat. »Wenn ich schon Krebs habe, dann kann ich ja wohl auch verdammt noch mal eine rauchen.«
    »Es wird nicht als Methode empfohlen, um dagegen anzukämpfen«, sagte ich.
    »Das weiß ich«, blaffte sie. »Hast du vergessen, dass ich nicht blöd bin?« Sie schloss die Augen und atmete schwer durch die Nase. »Es tut mir leid. Ich habe nicht vor, wieder damit anzufangen.« Sie warf mir ein schiefes Lächeln zu. »Außer wenn die Diagnose lautet, dass es unheilbar ist. Dann habe ich vor, mich allem zu widmen, das mir schadet.« Sie nahm noch einen tiefen Zug. »Ich will nur heute Abend rauchen. Geh mir nicht dauernd auf den Wecker, Steph. Nicht heute Abend.«
    Sie lehnte sich an mich, legte den Kopf auf meine Schulter. Ich strich ihr das Haar aus dem Gesicht und fühlte, dass ihre Wange nass von Tränen war. »Was sollen wir machen, Scarlett?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht, wie es mit dir steht, Steph, aber ich werde kämpfen bis zum Letzten.«

    Und kämpfen, das war genau das, was sie tat. Die Diagnose war schrecklich – invasiver lobulärer Brustkrebs. Etwas, wovon ich noch nie gehört hatte. Bald erfuhr ich mehr darüber, als ich je über eine Krankheit hatte wissen wollen, denn selbstverständlich würde es zu Scarletts »Überlebenskampf« ein Buch geben. Man ging natürlich davon aus, dass sie ihn gewinnen würde. Aber ich wusste, dass der Ausgang für den Verlag nicht das Wichtigste war. Sondern es ging um die Rührseligkeit der Geschichte. Und natürlich würde das Buch als ein zweiter Brief an Jimmy geschrieben werden.
    Selbstverständlich musste ich bei jedem Schritt auf diesem Weg an ihrer Seite sein. Mir gefällt die Vorstellung, dass sie mich sowieso gern bei sich gehabt hätte, aber ich bin nicht sicher, dass ich mich für so viel Nähe während ihrer Behandlung entschieden hätte.
    Meine Reise begann mit ihrem ersten Termin bei dem Arzt, der sie betreuen sollte. Simon Graham war das genaue Gegenteil des typischen Facharztes. Keine Anzüge aus der Savile Row, kein teures Rasierwasser, keine Golftasche im Kofferraum. An jenem Tag trug er eine schwarze Jeans mit einem rosa-weiß gestreiften Hemd ohne Krawatte. An den Füßen hatte er wunderschön gefertigte Cowboystiefel aus Leder. Man hörte Simon immer schon von weitem kommen.
    Er sah auch nicht alt genug aus, um Facharzt zu sein, denn er hatte dieses ewig jungenhafte Aussehen, das manche Männer offenbar jahrzehntelang in den Zwanzigern verweilen lässt. Männer wie Alan Bennett, die mit über sechzig oder siebzig noch wie zu große Kinder aussehen. Männer, die man aus der Nähe sehen muss, bevor man die feinen Falten und die silbrig glänzenden Schläfen wahrnimmt, an denen sich erkennen lässt, dass sie nicht ganz das sind, was sie zu sein scheinen. Simon hatte dichtes schwarzes Haar, der Schnitt war offenbar an die frühen Beatles angelehnt, als deren Haartracht noch einigermaßen kurz und nur leicht strubbelig war. Er hatte ernste blaue Augen hinter einer Nickelbrille, wie sie Physiklehrer in amerikanischen Filmen aus den fünfziger Jahren tragen. Sein Mund schien immer bereit zu lächeln. Wenn er dies zuließ, erschien ein einzelnes Grübchen auf der linken Wange. Er war ein Arzt, der geradezu für Reality-TV geschaffen schien. Ich fragte mich, ob man ihn bereits ausgewählt hatte, als noch die Fernsehdokumentation geplant war.
    O ja, George hatte Scarlett tatsächlich dazu zu überreden versucht, dass ein Kamerateam eine Dokumentation ihrer Therapie in allen Einzelheiten drehen durfte. Nun, Sie könnten sagen, dass ich keine Moralpredigten halten sollte in Anbetracht des vielen Geldes, das ich mit dem Erzählen von Scarletts Geschichte verdienen konnte, aber da wollte sogar ich nicht mehr mitmachen. Der Unterschied war, wie ich Scarlett erklärte, dass sie die letzte Entscheidung haben würde über das, was im Buch stand. Wogegen sie in Bezug auf das, was auf dem Bildschirm zu sehen wäre, ganz dem Fernsehsender ausgeliefert war.
    Ich war viel zu taktvoll, darauf hinzuweisen, dass das, was im Buch erschien, wenn sie es nicht überlebte, von mir abhinge, nicht von ihr. Aber sie war klug genug, selbst darauf zu kommen, wenn sie darüber nachdachte.
    George

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