Der Verrat: Thriller (German Edition)
den Raum zu verlassen. »Ich werde mit dem Klinikleiter sprechen«, schimpfte er auf dem Weg nach draußen. »Sie sollten mit uns kooperieren.«
Die ganze Zeit bemühte sich Scarlett, nicht panisch zu reagieren. »Sobald ich merkte, dass es kein Scherz war, wusste ich, es musste etwas Schlimmes sein«, erzählte sie mir später. »Der Gesichtsausdruck der Schwester und wie sie die andern hinausjagte – der Grund dafür konnte nicht sein, dass sie ein Autogramm haben wollte.«
Sobald sich die Tür hinter dem Regisseur schloss, trat die Schwester wieder an Scarletts Seite und konzentrierte sich. »Ich wollte Sie nicht beunruhigen«, sagte sie. »Aber hier stimmt etwas nicht.« Sie befühlte behutsam die untere Seite von Scarletts linker Brust. »Die Hautoberfläche fühlt sich merkwürdig an, und wenn ich ein bisschen fester drücke, spüre ich ein paar winzige, harte Knoten.«
»Habe ich Krebs?« Sie redete ja nie um den heißen Brei herum.
»Das kann ich noch nicht sagen. Aber wir müssen weitere Untersuchungen machen.« Die Krankenschwester tätschelte Scarlett sanft die Schulter. »Das war auf jeden Fall das Beste, was Sie tun konnten, diese Fernsehshow.«
Da Scarlett nun mal schon am rechten Ort war, wurde sofort die ganze Bandbreite von Untersuchungen vorgenommen. Mammographie, Ultraschall, Kernspintomographie, Nadelbiopsie – das volle Programm. Das Schlimmste war: Sie war in einem solchen Schockzustand, dass sie zustimmte, den ganzen verdammten Kram filmen zu lassen. Danach schickte man sie in einem Studiofahrzeug nach Hause, und in ihrem Kopf drehte sich noch alles. Ich erfuhr erst davon, als Leanne mich vollkommen wütend anrief.
Zwei Stunden später kam es mir vor, als sei ich in einer Zeitmaschine gereist. Genau wie in den schlimmsten Tagen von Scarletts trauriger Berühmtheit wartete die kläffende Medienmeute vor dem Tor. Vans vom Satellitenfernsehen, Fotografen mit Teleobjektiven, Reporter, die einem Mikros entgegenhielten, alle waren da und drängten sich um den Eingang herum. Nichts verbreitet sich im einundzwanzigsten Jahrhundert schneller als eine schlechte Nachricht.
Ich dachte, ich würde tatsächlich einen oder zwei von ihnen niedermähen müssen, um es durchs Tor zu schaffen, aber in letzter Minute wichen sie zurück. Die meisten hatten keinen Schimmer, wer ich war, aber trotzdem knipsten sie auf alle Fälle mich, meinen Wagen und mein wütendes Gesicht. Ich konnte mich ja als jemand Wichtiges erweisen.
Ich fand die Mädels im Kinderzimmer. Scarlett spielte Piraten mit Jimmy und steuerte sein Piratenschiff über das Teppichmeer zum Hafen, der aus dem begehbaren Kleiderschrank bestand. Von dort verteidigte er mit voller Lautstärke seine Wikingerburg gegen ihre Truppe. Leanne lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett, sie hing über den Rand und schoss Plastik-Kanonenkugeln auf beide. Als ich hereinkam, warf mir Scarlett einen äußerst gequälten Blick zu, konnte jedoch ihren Angriff auf die Burg irgendwie fortsetzen. Als sie das Schiff auf die Burgmauern stoßen ließ, gab sie vor, sie sei auf Grund gelaufen und am Kentern. »Ich bin erledigt, Jimmy. Du hast gewonnen.« Sie kroch über den Fußboden, nahm ihn hoch und bedeckte ihn mit Küssen, während er in ihren Armen zappelte und kicherte. »Zeit für dein Bad, mein kleiner Schatz.«
»Nein«, protestierte er laut. »Noch mal. Ich will der Pirat sein.«
Sie kitzelte ihn am Bauch und trug ihn zum Badezimmer. »Du kannst ein Pirat in der Badewanne sein, Mister.«
Er gluckste, wand sich mit rotem Gesicht und rief: »Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste, fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste.«
»Ich komm gleich runter«, rief Scarlett über die Schulter.
Ich folgte Leanne in die Küche. Heute war kein Abend für Prosecco. Wir kamen gleich zum Brandy. »Was genau hat man ihr gesagt?«, fragte ich.
»Sie sagen nichts Genaues, bis sie die Laborergebnisse haben. Aber aus dem zu schließen, wie todernst sie das alles genommen haben, sieht es nicht sehr gut aus.«
»Glaubst du nicht, dass sie vielleicht ein bisschen übertrieben haben, weil es gefilmt wurde?«
»Nach dem, was Scarlett sagte, nicht.«
Wir gingen raus auf die Terrasse, damit Leanne rauchen konnte. Scarlett fand uns dort etwas später, wo wir im Zwielicht über unsere Drinks gebeugt saßen. Sie nahm sich eine Zigarette und kauerte sich zwischen uns hin.
»Du rauchst doch gar nicht«, sagte ich gedämpft.
»Früher schon.«
»Wie ein Schlot«, fügte
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