Der Verrat: Thriller (German Edition)
Wangen. »Oh, mein Gott, was ist mit Rabinder geschehen?«
Nick war bestürzt. »Wer ist Rabinder?«
»Was soll das heißen, wer ist Rabinder? Er ist mein Neffe.« Verwirrt runzelte sie die Stirn. »Sie sagten doch, er sei entführt worden. Wie können Sie da nicht wissen, wie er heißt?«
»Es ist nicht Rabinder«, sagte Nick hastig. »Können wir einfach noch mal von vorn anfangen? Wir haben aneinander vorbeigeredet. Ich spreche von Jimmy, Joshus Jungen. Ich weiß nicht, wer Rabinder ist.«
Asmitas Panik legte sich merklich, zurück blieb nur Entrüstung. »Sie haben mich aber wirklich erschreckt, ich kann’s kaum glauben.«
»Das tut mir leid«, sagte Nick. »Ich hatte echt keine Ahnung, dass Sie noch einen Neffen haben. Hat Ambar ein Kind?«
Asmita wandte sich ab und schüttelte den Kopf. »Wer bildet denn Sie und Ihre Kollegen aus? Sie kommen am späten Abend in meine Wohnung hereingeplatzt, jagen mir eine Heidenangst ein, weil Sie sich nicht richtig informiert haben, dann fangen Sie an zu plaudern, als gehe es um einen Höflichkeitsbesuch. Ihre soziale Kompetenz ist abgrundtief schlecht.«
»Wie gesagt, es tut mir leid.«
Jetzt hatte sie sich wieder im Griff und wandte sich ihm von neuem zu. »Ambar heiratete etwa sechs Monate nach Jishnus Tod.« Nick musste einen Moment überlegen, wen sie meinte, dann erinnerte er sich, dass Joshu früher nicht Joshu genannt wurde. Für seine Familie würde er immer Jishnu sein. »Rabinder kam ungefähr ein Jahr später zur Welt. Er ist jetzt sieben Monate alt.« Asmita konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Wir alle lieben ihn abgöttisch. Deshalb bin ich so ausgeflippt. Er ist der einzige Mensch, an den ich als meinen Neffen denke.«
»Aber Jimmy ist auch Ihr Neffe, ob Ihnen das gefällt oder nicht.«
»Aber ich kenne ihn nicht. Er hat nie zu meinem Leben gehört. Ich bedaure das, aber ich muss die Wünsche meiner Eltern respektieren. Sie wollten nichts mit ihm zu tun haben. Meine Mutter besteht darauf, dass Jimmy nicht Jishnus Kind ist.« Diesmal war ihr Lächeln bedauernd. »Sie hält sehr wenig von Scarlett Higgins und ihrer persönlichen Moral.«
»Sie sagen damit also, dass Ihre Familie Jimmy wirklich nicht als einen der Ihren betrachtet?«
Asmita verschränkte die Arme vor der Brust. »Blutsverwandt ist er vielleicht. Aber er gehört nicht zur Familie im eigentlichen Wortsinn. Er ist nicht Teil unserer Kultur, unserer Familientraditionen. Er gehört nicht zu uns.«
»Er sieht aus wie einer von Ihnen«, sagte Nick. »Er sieht mehr wie ein Patel als wie ein Higgins aus.«
»Kann sein. Aber das Aussehen ist etwas Oberflächliches.« Sie räusperte sich. »Sie sagen, er ist entführt worden? Wie ist das passiert?«
»Sein Vormund nahm ihn mit auf einen Urlaub in Amerika. Während sie auf die Sicherheitskontrolle wartete, nahm ein Mann Jimmy mit. Es war sehr gut organisiert. Bis jemandem klarwurde, was passierte, waren sie weg.«
Es folgte ein langes Schweigen. Asmita trat an eines der hohen Fenster, die auf die glitzernden Hochhäuser der City hinausgingen. »Was hat das mit mir und meiner Familie zu tun?«
Das war eine Frage, die sich nicht leicht beantworten ließ, ohne kulturelle Empfindlichkeiten zu verletzen. »Wie ich schon sagte, es war eine weit hergeholte Vermutung. Und Sie haben meine Frage eigentlich schon beantwortet, als Sie mir von Rabinder erzählten.«
Sie drehte sich schnell um und funkelte ihn an. »Aha, ich verstehe.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie meinen, wir gehören zu einem primitiven Bergstamm, wo man einen männlichen Erben braucht, um den Stammbaum fortzuführen. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie beleidigend das ist?«
»Es war nicht als Beleidigung gemeint. Ganz im Gegenteil«, sagte Nick. »Ich wollte mich sensibel verhalten gegenüber dem, was jemandem wichtig sein könnte, der es aus einer anderen kulturellen Perspektive sieht. Ich bin kein Experte, was solche Nuancen betrifft. Ich bin bei der Kripo und versuche meine Arbeit zu machen. Und bei dieser Arbeit geht es eben darum, einen kleinen Jungen zu retten, der von dem Menschen, den er liebt, und dem Leben, das er kennt, weggerissen wurde. Wenn ich Sie gekränkt habe, dann tut es mir leid. Aber das ist im Moment nicht meine erste Priorität.« Er begann auf die Tür zuzugehen.
»Warten Sie«, sagte Asmita. »Ich glaube, wir haben uns von Anfang an nicht recht verstanden. Es tut mir leid, das von Jimmy zu hören, aber nur so, wie es mir bei dem
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