Der Verrat: Thriller (German Edition)
Möglichkeit, wie jemand etwas über die Verabredung erfahren konnte, wäre, dass jemand ihre Voicemail abhört.«
Ich fand, die Geschichte hörte sich an, als hätte sie das Zeug zu einem dieser Großstadtmythen. Ein weiterer Fall einer Prominenten von der C-Liste, die sich zu wichtig nahm. In meiner Rolle als Autorin hatte ich viel über die schmutzigen Tricks der Medien gehört, mit einem Scanner Handys abhören zum Beispiel, aber diese Sache war mir neu. Ich hatte meine Zweifel, gelinde gesagt. Und nicht nur, weil es illegal wäre. Hauptsächlich konnte ich nicht glauben, dass sich jemand die Mühe machen würde, die Voicemail von Leuten wie Madison Owen abzuhören für den Fall, dass er etwas Bedeutenderes finden würde als: »Hi, ich bin’s, ruf mich demnächst mal zurück.«
»Ich wette, es gibt eine andere Erklärung«, sagte ich. »Das klingt alles zu weit hergeholt.«
»Bingo!« Scarlett wedelte mit der Hand in der Luft. Jetzt, da sie gewonnen hatte, waren alle Gedanken an die Verletzung der Privatsphäre ausgelöscht.
Die Budenbesitzerin eilte herüber, sie war entzückt, dass sie eine Promi-Frau als Gewinnerin hatte. »Sie dürften sich eigentlich etwas auf dem unteren Regal auswählen«, sagte sie vertraulich, nachdem sie Scarletts Karte betrachtet hatte. »Aber da Sie es sind, nehmen Sie doch, was Sie wollen von all den Sachen hier im Stand. Sie verdienen eine Freude nach allem, was Sie hinter sich haben.«
Scarlett lächelte sie strahlend an. »Das würde ich mir nie einfallen lassen«, sagte sie. »Sie müssen ja auch Ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich nehme einen von den Delphinen auf dem unteren Regal hier. Für meinen Jungen«, fügte sie hinzu, als die Budenbesitzerin ihr ein kleines weißblaues Plüschtier reichte. »Er mag Delphine. Letztes Jahr ist er vor den Bahamas mit ihnen geschwommen.«
Wir ließen uns von den Hockern gleiten und gingen in die Stadt zurück. »Das hat großen Spaß gemacht«, sagte sie, als wir in meine Straße einbogen. »Nächstes Mal bringe ich Jimmy mit. Wann kommst du wieder in die Stadt?«
Ich hatte in der darauffolgenden Woche ein Arbeitstreffen mit einem Verleger, und wir verabredeten, dass wir danach miteinander essen gehen würden. Ich war froh, dass sich zwischen uns eine ungezwungene, routinemäßige Atmosphäre zu entwickeln schien, und als der Tag unseres Dinners kam, sorgte ich dafür, dass das Treffen pünktlich zu Ende war. Ich nahm die U-Bahn zur Station Hyde Park Corner und ging die Park Lane zum Dorchester hinauf. Nachdem Scarlett entdeckt hatte, dass so etwas wie vornehme chinesische Küche existiert, gab es für sie kein Halten mehr. Heute Abend hatten wir im China Tang im Dorchester Plätze reservieren lassen, wo das Essen so gut ist, dass ich den Kopf auf den Tisch legen und weinen könnte. Auf die vergnüglichste Art und Weise. Mir lief schon bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen. Alles hatte ungewöhnlich gut geklappt, und ich war eine halbe Stunde zu früh dran für unsere Reservierung. Also holte ich tief Luft, überdachte meinen Kontostand und betrat die Cocktailbar. Es gibt einen Teil der Bar, der geschlossenen Gesellschaften vorbehalten ist, und ich warf einen Blick hinein, als ich die Stufen hinunterging.
Fast wäre ich danebengetreten, fing mich aber gerade noch und vermied einen peinlichen Sturz zu Füßen des Cocktailkellners. Scarlett führte gerade ein Glas Schampus an die Lippen und strahlte die ihr gegenübersitzende Person an. Und das war niemand anderer als Dr. Simon Graham, der ein ebensolches Glas hielt und Scarlett auf eine ganz unmedizinische Weise tief in die Augen schaute.
Zur Verwirrung des Kellners ging ich weiter bis ans Ende der Bar und gleich wieder auf die Straße hinaus. Ich brauchte einen Drink, aber auf keinen Fall in der Cocktailbar des Dorchester. Deshalb überquerte ich den Vorplatz und ging um die Ecke zu dem hohen roten Backsteingebäude, in dem sich der University Women’s Club befindet. Es ist der einzige Club im Land, der ausschließlich Frauen aufnimmt, und mein Zufluchtsort im Zentrum Londons. Ich trat ihm bei, als ich nach London zog und einen Ort außerhalb meiner schrecklichen Wohnung in Stepney brauchte, wo ich mich mit Leuten treffen konnte. Maggie hatte ihn mir empfohlen, und ich war damals nervös gewesen bei dem Gedanken an elegante Frauen mit beeindruckender Redeweise und noch beeindruckenderen Titeln, die auf mich herabsehen würden. Aber ich hätte mich nicht
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