Der Verrat: Thriller (German Edition)
nicht bescheißen, dann können Sie wiederkommen und sich noch ’ne Scheibe abschneiden, wenn ich noch berühmter geworden bin?«
»Genau. Wenn ich mir Sie so anschaue, Scarlett, dann sehe ich nicht nur die Geschichte vor mir, die Sie erzählen, damit Ihr Kind sie lesen kann, wenn es dafür alt genug ist. Mir ist klar, dass Sie schon eine lange Entwicklung durchgemacht haben. Aber ich glaube, Sie haben auch noch einen langen Weg vor sich. Und ich will diejenige sein, die all diese Geschichten erzählt, die noch vor Ihnen liegen. Das ist mein persönliches Interesse und der Grund, weshalb ich mich Ihnen gegenüber anständig verhalten will.«
Dies widerwillig anerkennend, nickte sie mir zu. »Das macht Sinn. Ich konnte nicht begreifen, warum Sie auf meiner Seite sein sollten. Aber jetzt hab ich’s geschnallt. Sie wollen meine Geschichte nicht nur, weil sie uns jetzt ’ne Menge Kohle bringen wird. Sie meinen, ich kann später noch einiges abwerfen.«
Brutal, aber nicht so abweichend von der Formulierung, die Maggie gewählt hätte. »Ich sehe es mehr als eine längerfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit«, sagte ich mit einem gequälten Lächeln.
»Ich will sehen, was Sie schreiben, bevor es zu einem Buch gemacht wird.« Scarlett wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Oberlippe.
»Natürlich. Wie sollten Sie sonst wissen, dass ich Sie nicht übers Ohr haue? Sie werden es als Erste lesen. Sie bekommen es vor meiner Agentin, vor Ihrem Agenten und vor dem Verleger. Nachdem Sie es gelesen haben, setzen wir uns zusammen und gehen alles durch, womit Sie nicht zufrieden sind. Aber das dürfte kein Problem sein. Weil es ja schließlich um Ihre Geschichte geht. Ich bin nur die Person, die alle Sätze in die richtige Form bringt und sich um die Rechtschreibung kümmert.«
Es erstaunt mich immer wieder, wie leicht meine Kunden dies stets schlucken. Es stört sie nichts an dem Gedanken, dass in dem, was ich tue, keine besondere Fertigkeit steckt. Sie glauben aufrichtig, dass ich nur dazu da bin, die Kommas an die richtigen Stellen zu setzen. Weil ich so gut darin bin, anderen eine Stimme zu geben, glauben sie, ihre eigene Stimme zu hören. Sie haben keine Ahnung, wie viel handwerkliches Geschick in einem Text steckt, der oft kaum mehr als bruchstückhaftes Geschwafel war.
Aber Scarlett hatte angebissen. Und das war die Hauptsache. »Das is ’ne runde Sache«, meinte sie. »Sagen wir doch einfach ›du‹. Ich mag dich, Steph. Du redest vernünftig. Du versuchst nicht, alles mit gebildetem Geschwätz zu vernebeln. Wie gehen wir die Sache also an?«
»Du redest, ich nehm’s auf. Ich habe gehört, dass es in der Form eines Briefs an dein ungeborenes Baby sein soll? Hattest du es dir so gedacht?«
Scarletts Kinn schob sich trotzig vor. »Das ist doch kein Problem, oder?«
Ich finde es interessant, dass von den Leuten, über die ich schreibe, es immer die Frauen sind, die in den einfachsten Fragen Kritik wittern. Die Männer – selbst solche, die früher missbraucht wurden – lassen sich selten auch nur von einem Funken Selbstzweifel anfechten. Tief im Innern sind sie sicher, dass sie das Recht haben, gehört zu werden. Selbst wenn sie in einem Sumpf von Sex- und Finanzskandalen stecken wie ein weiterer Politiker, über den ich vor ein paar Jahren schrieb, sind sie doch überzeugt, dass ihre Geschichte genauso erzählt werden sollte, wie sie sie wahrnehmen.
»Ganz im Gegenteil. Ich glaube, es ist eine gute Idee. Ein Motiv, das das Buch zusammenhält, ist immer hilfreich. Wie hattest du es dir vorgestellt, wie willst du an die Geschichte rangehen?«
»Ich weiß, es klingt verkehrt herum, aber ich will da anfangen, wo ich jetzt bin, schwanger und dabei, über die Blamage wegzukommen. Wie mein Baby mich vor mir selbst gerettet hat. Über Joshu, und wie sich alles geändert hat durch die Liebe zu ihm. Und dann zurück zum Anfang, zu meiner schrecklichen Kindheit und meiner beschissenen Familie und wie ich lebend da rausgekommen bin.« Scarlett neigte den Kopf und sah mich mit dem Augenaufschlag an, um den Prinzessin Diana das Waffenarsenal künftiger Generationen von Frauen bereichert hatte. »Ohne wie eine dumme Trulla zu klingen, natürlich.«
Ich lächelte ihr kurz zu. »Ich glaube, das kriegen wir schon hin. Es wäre gut, wenn ich auch mit Joshu reden könnte.«
Sie schien unsicher. »Ich weiß nicht. Joshu sitzt nicht gern rum und redet.«
»Es müsste kein langes Gespräch sein. Lebt er
Weitere Kostenlose Bücher