Der Verrat: Thriller (German Edition)
einander kennen.« Und dann ging sie voraus, als gebe es keine Notwendigkeit für eine weitere Diskussion.
4
E s erwies sich als weniger beängstigend, als es geklungen hatte. Scarlett hatte einen Swimmingpool. Na klar. Und einen Whirlpool und eine Sauna und einen Fitnessraum. Was eben jede gut ausgestattete Hazienda in Essex so bietet. Ich folgte ihr in den hinteren Teil des Hauses und durch eine Doppeltür, die als Luftschleuse für den Geruch der Chemikalien im Wasser diente. In einem Umkleideraum, der intensiv nach Zeder und Vanille roch, riss Scarlett einen Schrank auf, wo eine Auswahl an gleichen schwarzen Badeanzügen auf Kleiderbügeln hing. »Da sind alle Größen dabei«, sagte sie. »Nehmen Sie sich einen.«
Mit dem völligen Mangel an Befangenheit, der darauf zurückging, dass sie sich der ganzen Nation betrunken und nackt auf den Bildschirmen gezeigt hatte, zog sie sich aus und schlüpfte in einen türkisblauen Badeanzug. Sie sah überraschend straff und fit aus, wozu die sanfte Wölbung ihrer Schwangerschaft im vierten Monat im Widerspruch stand. Aber ich hatte recht gehabt mit der aufgesprühten Ganzkörperbräunung.
Mich nackt zu zeigen fiel mir nicht so leicht wie Scarlett, deshalb ging ich in eine Kabine mit Vorhängen und zog mich um. Bis ich herauskam, kraulte sie in dem zehn Meter langen Becken auf und ab; sie schwamm stoßweise, kam aber gut voran. Ich saß am Beckenrand und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Denn ich fand, es könne nicht schaden, Scarlett die Initiative zu überlassen und abzuwarten, wohin uns das führte. Es würde ein Zeitpunkt kommen, an dem ich meine eigenen Regeln festlegen musste. Wenn sie sich nicht daran halten konnte, war es gut, das jetzt herauszufinden, solange ich noch aussteigen konnte.
Ich sah, dass sie mich jedes Mal prüfend betrachtete, wenn sie umdrehte und auf mich zu schwamm. Und ich glaube, sie erwartete, dass ich einknicken und ins Wasser gleiten würde. Damit ich mich mit ihr messen und zu zeigen versuchen würde, wer das Sagen hatte. Aber ich stieg nicht ein in dieses Spiel. Nachdem sie ein Dutzend Mal hin und her geschwommen war, hatte sie genug. Sie hielt neben mir an und sah zu mir auf. Durch das Schwimmen lag ihr Haar glatt am Kopf an, aber ihre wasserfeste Wimperntusche hatte nicht gelitten. Während sie Luft holte, öffnete sie den Mund, und ich sah, dass eine Zahnbehandlung ihr Lächeln nach der ersten Staffel von Goldfish Bowl verändert hatte. Manchmal geht die Zahnverschönerung zu weit und verleiht den Leuten ein übertrieben strahlendes Lächeln, das es niemals von Natur aus gibt. Aber Scarletts Zahnarzt hatte gute Arbeit geleistet. Wenn man das »Vorher« nie gesehen hatte, hätte man nicht geglaubt, dass es hier um ein »Nachher« ging. Es schien einfach das Lächeln eines Menschen zu sein, der, was die Zähne betrifft, mit guten Genen gesegnet war.
»Sie schwimmen also nicht?«, fragte sie. Einfache Neugier oder Aggression – ich hätte es so oder so verstehen können.
Es war Zeit, ihr ein bisschen entgegenzukommen. »Ich schwimme gern. Aber Pools liegen mir nicht so besonders. Das Meer mag ich lieber. Deshalb schwimme ich nicht so oft, weil ich es zu verdammt kalt finde bei uns.«
Sie verschränkte die Arme auf dem Beckenrand und sah grinsend zu mir hoch. »Na gut. Was ist mit Ihrem Bein passiert? Sie humpeln ja nicht oder sonst was. Ich wusste nicht, dass es damit ein Problem gibt, bis Sie die Hose ausgezogen hatten.«
Ich schaute auf die lange Narbe von meinem linken Knie bis fast zum Knöchel hinunter. »Ich hatte einen Autounfall. Ein Betrunkener ist in den Wagen meines Freundes reingefahren. Wir sind an einen Baum gerast, und mein Bein wurde durch die Autotür eingeklemmt. Eine Metallplatte und ein paar Schrauben halten mein Bein zusammen. Die Ärzte haben ihre Sache gut gemacht, und ich habe auf den Physiotherapeuten gehört, deshalb humple ich nicht.«
»Das muss ja höllisch weh getan haben«, sagte Scarlett. Sie zog sich aus dem Wasser hoch und richtete sich auf.
»Ja. Aber jetzt nicht mehr. Nur wenn ich viel gehe. Dann schmerzt es ein bisschen.« Ich hob die Beine aus dem Wasser und stand auf. Ich war gut acht Zentimeter größer als sie. So konnte ich sehen, dass ihr Haaransatz bald nachgefärbt werden musste. »Wollen Sie hören, wie ich es mache, wenn ich Leuten helfe, ihre Geschichte zu erzählen?«
Scarlett zog ihr Haar aus dem Gesicht zurück und lachte schnaubend. »Ihr redet ja nie Klartext, ihr
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