Der Verrat: Thriller (German Edition)
alle.«
»Wer ihr alle?«
»Ihr Journalisten. Autoren, Reporter. Ihr nehmt mich alle und dreht mich durch die Mangel, bis ihr etwas habt, das ihr euren Lesern füttern könnt.«
»Sie meinen, dass es darum geht? Wenn Sie das wirklich glauben, dann hat es nicht viel Sinn, dass wir weiter reden.« Ich ging zu einem Tisch hinüber, auf dem ein Stoß frischer Handtücher lag, und nahm mir eins.
»Wofür sind Sie sonst da?«, forderte mich Scarlett heraus. »Kommen Sie in den Whirlpool und sagen Sie es mir dort.« Wieder kein Blick, der sich mein Einverständnis geholt hätte. Ich war noch nicht bereit, aufzugeben, also folgte ich ihr.
Sie drehte an den Knöpfen, und das Wasser begann zu rumoren und zu sprudeln. Ich mag Whirlpools nicht besonders. Ich finde sie zu warm und fühle mich hinterher immer erhitzt, schwitze und möchte duschen. Aber hier ging es um Arbeit, also setzte ich mich einfach im rechten Winkel zu ihr zurecht. So erheben Gesprächspartner nicht so viele Einwände, als wenn sie einem gegenübersitzen. Ich schenkte ihr ein offenes, beruhigendes Lächeln. »Was Sie aus Ihrem Leben gemacht haben, ist weder durchschnittlich noch gewöhnlich«, begann ich. Das ist eine Masche, die ich im Lauf der Jahre immer wieder gebraucht und verbessert habe. »Das heißt, Sie selbst sind auch kein Durchschnitt mehr. Andere Leute, die durchschnittlichen, wollen unbedingt Ihre Geschichte kennenlernen. Sie wollen herausfinden, wie Sie außergewöhnlich geworden sind. Sie wollen an Ihrem Geheimnis teilhaben. Meine Aufgabe ist es, Ihnen zu helfen, wenn Sie ihnen davon erzählen. Es ist ganz einfach.«
Sie runzelte die Stirn. »Wieso ist das anders als all die anderen Journalisten, die den ganzen Mist über mich geschrieben haben, als ich in Goldfish Bowl Scheiße gebaut hab? Und bei den anderen Gelegenheiten, wenn ich eine Sache gesagt hab und es dann ganz anders rüberkam?«
»Weil ich nicht für eine Zeitung oder eine Illustrierte arbeite. Ich arbeite für Sie und Ihren Verleger.«
»Aber Sie wollen Bücher verkaufen. Je mehr Bücher Sie verkaufen, desto mehr Geld verdienen Sie. Deshalb leuchtet es doch ein, dass Sie tun, was immer nötig ist, um möglichst viele Bücher zu verkaufen.« Um Scarletts Mund lag ein störrischer Zug, und die Augen schauten unsicher.
Ich hatte das schon öfter bei Menschen gesehen, die so aufgewachsen waren, dass sie immer gute Gründe zum Misstrauen hatten.
»Wenn wir diese Sache in Angriff nehmen, dann werden wir eine Vereinbarung treffen, Scarlett.« Es war das erste Mal, dass ich sie bei ihrem Namen genannt hatte, und, ja, es geschah durchaus mit Berechnung. Genauso wie man einen fremden Hund streichelt, von dem man glaubt, dass er sich an einen gewöhnen wird. »Aus meiner Sicht ist die beste Story nicht unbedingt die mit den schockierendsten Enthüllungen. Es ist eine, die den Leser am besten erreicht. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihre Geschichte so erzählen werde, wie Sie das möchten. Wenn Sie mir etwas sagen, von dem ich glaube, dass Sie es bereuen könnten, lasse ich es weg, und ich sag Ihnen auch, warum. Ihrem Verleger werde ich davon nichts sagen. Weil Sie recht haben. Würde ich es weitergeben, wird man verlangen, dass es im Buch bleibt, damit man ein paar Tausender mehr verdienen kann, indem man es an die Daily Mail verkauft.«
»Warum sollten Sie das tun? Ich glaube diesen Gutmenschenmist nicht, dass man mich vor mir selbst schützen will. Warum wollen Sie die wirklich pikanten Sachen weglassen? Sind Sie bei der Caritas, oder was?«
Das war ein weiterer überraschender Beweis ihrer Intelligenz. Oder vielleicht einfach schwer erkämpften Scharfsinns, weil sie in der Vergangenheit nur allzu oft ausgebeutet worden war. Ich schüttelte den Kopf und lachte. »Ich bin alles andere als weichherzig und selbstlos, Scarlett. Ich verhalte mich so aus einem sehr guten Grund: Es geht um die zweite Chance. Ich habe vielen außergewöhnlichen Menschen geholfen, einem Publikum ihre Geschichte zu erzählen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Leute meistens nicht wieder zu Durchschnittsmenschen werden. Sie unternehmen weiterhin Dinge, aus denen sich erstaunliche Geschichten machen lassen. Wenn ich also jetzt Ihre Geschichte nur mit dem Ziel schreibe, möglichst viel aus Ihnen rauszuholen, dann werden Sie sich nächstes Mal nicht an mich wenden, oder?«
Für zweitklassige Promis gibt es kein einleuchtenderes Motiv als Eigennutz. Scarlett lebte auf. »Wenn Sie mich also
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