Der Verrat: Thriller (German Edition)
geschlossenen Türen gab es bestimmt einen Kühlschrank, Gefriertruhe und Mikrowelle. Aber man wusste nicht, hinter welchen. Alles war makellos, mustergültig ausgestattet wie die Einrichtung einer Ausstellungsküche. Es roch nach Zitrone und Kräutern von einem dieser Sprays, die ein kleines Vermögen kosten. »Kocht also nicht«, merkte Maggie trocken an.
Eine dünne junge Frau in Jeans, hochhackigen Stiefeln und einem Rippenpullover kam vom anderen Ende her in die Küche geklappert. »Stephanie?«, fragte sie und schaute Maggie an.
»Ich bin Stephanie«, sagte ich. »Das ist Maggie, meine Agentin.«
Verunsichert nickte sie hektisch. »Ich bin Carla. Von Georges Agentur.«
»Aha. Eine Neue, was?«, lächelte Maggie. »Sie werden bald den Bogen raushaben.«
Auf Carlas Gesicht erschien ein angstvolles, aber strahlendes Lächeln. »Scarlett und George erwarten Sie im Wohnzimmer.« Sie führte uns einen breiten Flur entlang, der in einem würfelförmigen weißen Raum endete. Der Sitzbereich war tiefer gelegen, und die Möbel gruppierten sich um eine Feuerstelle, wo die Flammen eines Kamingasofens flackerten. Der Duft hier hatte eine eher blumige Note, war aber genauso künstlich.
Scarlett und ihr Agent saßen auf weißen Ledersofas mit Überwürfen aus Kuhfell. An den Wänden hingen dekorative Schädel von Langhornrindern und dazwischen Landschaften aus dem Westen der USA in einem imitierten O’Keeffe-Stil. Nicht gut imitiert. Sie ließen einen eher an Essex als an Texas denken. Wäre ich Scarlett gewesen, ich hätte sie sofort rausgenommen. All das lenkte nur die Aufmerksamkeit von ihr ab, und das beabsichtigen solche unbedeutenden Promis doch nie.
Aber ich interessierte mich ja für Scarlett, also zwang ich mich, meine Blicke von der Einrichtung abzuwenden und auf sie zu lenken. Sie hatte sich das Haar mit Highlights und Strähnchen meisterhaft färben lassen, so dass der Eindruck einer natürlichen dunkelblonden Mähne entstand. Zu meiner Überraschung war sie nicht dick geschminkt, nur ein wenig dunkelroter Lippenstift und Mascara, um das Blau ihrer Augen zu betonen. Die aufgesprühte Bräune, von Kopf bis Fuß, vermutete ich, ergänzte das Bild. Sie trug ein rotes ärmelloses T-Shirt, das ihre vollen Brüste und ihren schwangeren Bauch betonte. Ihre Beine steckten in einer weiten grauen Jogginghose. Sie war barfuß, aber die Fußnägel waren im Farbton ihres Lippenstifts lackiert. Sie sah nicht aus wie eine Schlampe aus dem Reality-Fernsehen. Aus irgendeiner Ecke hatte Scarlett einen Hauch Kultiviertheit hervorgeholt.
George erhob sich etwas mühsam, sobald wir den Raum betraten, aber Scarlett rührte sich nicht und ließ uns zu ihr kommen. George stellte uns mit der gewohnten Höflichkeit einander vor. Scarlett legte ihre trockenen Finger in meine Hand und zog sie fast genauso schnell wieder zurück. Sie sagte nichts, nickte nur und presste sich ein bedeutungsloses Lächeln ab. Ich meine, dass ich ersten Eindrücken recht gut etwas Sinnvolles entnehmen kann. Aber bei Scarlett konnte ich dem, was ich schon durch meine Recherche herausbekommen hatte, nichts hinzufügen. Ich war gespannt, und das war genug, um meine Beunruhigung zu dämpfen. Denn bei mir vertreibt Neugier immer das flaue Gefühl im Magen.
»Wir sind also hier, um das Kleingedruckte unserer Abmachung zu besprechen«, erklärte George, als wir alle auf den üppigen Sofas Platz genommen hatten und Carla beauftragt worden war, Kaffee zu machen.
»Na ja, das stimmt nicht ganz, Georgie-Boy«, widersprach Scarlett, und der rauhe Dialekt von Leeds kam schon in diesen wenigen Worten durch. »Zuerst wollten wir herausfinden, ob ich mit Stephanie zusammenarbeiten will. Weil nämlich, wenn’s nicht klappt mit uns, dann gibt’s keine Abmachung.« Sie war viel bestimmter, als ich erwartet hatte.
Nun war George an der Reihe mit dem ausdruckslosen Lächeln. »Natürlich, meine Liebe. Stephanie, vielleicht könnten Sie für Scarlett Ihre Arbeitsweise umschreiben?«
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Scarlett. »Ich und Steph, wir müssen einander kennenlernen, ohne dass ihr beiden uns im Nacken sitzt. Georgie und Sie, Maggie, Sie können ruhig nach London zurückfahren und dort verhandeln. Ich kümmere mich um Steph.« Sie stand auf und machte eine Geste, als scheuche sie sie aus dem Zimmer. »Geht. Haut ab, ihr beiden!« Sie wandte sich mir zu und wies mit dem Kopf zum anderen Ende des Raums. »Kommen Sie. Ziehen wir uns doch aus und lernen wir
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