Der Verrat: Thriller (German Edition)
war mein Auto wirklich nichts Besonderes. Die Paparazzi vom Dienst regten sich nicht, als ich vor dem Tor anhielt. Scarlett öffnete mir mit dem Summer, und ich fuhr auf den gleichen Stellplatz, wo wir bei meinem ersten Besuch geparkt hatten. Das rote Mazda Cabrio, das ich zuvor bemerkt hatte, stand noch auf dem äußeren Stellplatz. Es sah nicht aus, als wäre es inzwischen weg gewesen. Scarlett lebte bequem; sie brauchte nicht selbst zu fahren, wenn sie nicht wollte.
Ich fand Scarlett in der Küche; eine Tasse auf der Wölbung ihres Bauches abstützend, stand sie an den Herd gelehnt. Diesmal war die Jogginghose schwarz und das ärmellose T-Shirt weiß. Als ich hereinkam, gähnte sie gerade herzhaft und ließ dabei unbefangen ihre goldüberkronten Backenzähne sehen. Offensichtlich hatte sie immer in einer Umgebung gelebt, in der niemand jemals die Hand vor den Mund hielt. »Hi«, sagte sie noch halb gähnend. »Scheiße, ich bin gestern Abend so lange auf gewesen.«
»Warst du aus mit Joshu?«, fragte ich. Nicht dass mich das interessiert hätte. Aber es gehört auch zu meiner Arbeit, mich zu unterhalten und die Kluft zwischen mir und den Kunden zu überbrücken.
Sie schnaubte verächtlich. »Er ist in Birmingham oben. Irgendein neuer Club wird eröffnet. Sie brauchten den King of Cool zum Kratzen und Kritzeln und Stottern.« Sie kicherte. »Klingt wie ’n Opa, oder? Wie ’n alter Scheißer, der sie nicht mehr alle beisammen hat. Kratzen und Stottern. Nee, da kam ein Frauentausch -Marathon, und ich bin nicht wieder losgekommen, hab mir all die hoffnungslosen Schwachköpfe angesehen, wie sie versuchten, in das Leben einer anderen reinzupassen.«
»Man sieht sich das bloß zum Ablästern an.« Ich muss zugeben, dass auch ich eine Schwäche für Frauentausch habe. »Es ist Katastrophen-Fernsehen. Ich warte immer nur drauf, dass eines Abends eins der Kinder die Neue ohrfeigt.«
Scarlett kicherte wieder. Ich konnte mir bereits vorstellen, wie sehr mich das im Lauf von neun Tagen voller Interviews nerven würde. Manche Kunden haben unglaublich irritierende Ticks in ihrer Ausdrucksweise, oder sie zucken zum Beispiel dauernd; es macht mich wahnsinnig. Ich kann es überhaupt nur ertragen, wenn ich für jede Stunde innerlich eine Strichliste führe und insgeheim gegen mich selbst wette.
»Wenn ich dabei wäre – ich würde sie alle völlig auf den Kopf stellen«, sagte sie, stieß sich vom Herd ab und ging auf den Wasserkocher zu. »Soll ich uns Tee oder Kaffee machen?«
»Ich hätte gern Kaffee. Was meinst du damit, dass du sie auf den Kopf stellen würdest?«
»Ich würde warten, bis sie alle bei der Arbeit oder in der Schule sind und dann ’n Putzdienst und ’n Partyservice bestellen. Sie würden wieder nach Hause kommen und mich phantastisch finden. Und sie wären stocksauer auf ihre echte Frau und Mutter.«
»Ich nehme an, du bist keine tolle Hausfrau?«
Sie verzog das Gesicht. »Ich kann putzen, wenn es sein muss, aber jetzt brauche ich das nicht zu machen. Und kochen – Baked Beans auf Toast, Rührei auf Toast. Toast auf Toast. Und das ist schon alles. Dafür gibt’s ja Essen zum Bestellen, stimmt’s? Damit wir unsere Zeit nicht in der Küche verschwenden müssen. Du bist doch nicht eine von diesen Fernsehköchinnen wie Nigella, oder? Verdammte Göttinnen der Häuslichkeit?« In so wenige Worte hätte sie kaum mehr beißende Verachtung packen können.
»Ich koche nichts Schwieriges, aber am Wochenende mach ich gern ein richtig gutes Essen mit Braten.« Ich bin mehr für Nigel Slater in der Küche als für Nigella Lawson.
»Ein richtiger Braten, das geht in Ordnung«, gestand Scarlett mir zu. »Aber ich wette, du bist eine von denen, die richtigen Kaffee mögen.«
Ich grinste. »Du schätzt mich total richtig ein. Hast du welchen?«
»Ja, Carla kam mit ’ner Schachtel Metallkapseln für die Kaffeemaschine, als sie neulich Georgie hier hochgefahren hat.« Der Schrank, den sie öffnete, enthielt einen riesigen Behälter mit Teebeuteln und eine Plastiktüte mit einer Mischung verschiedenfarbiger Kapseln. »Wir trinken nur Tee«, sagte sie. »Wir sind totale Proleten, ich und Joshu. Na ja, er tut jedenfalls so. Es stimmt nicht ganz. Sein Dad lehrt an einer Uni, und seine Mutter ist Ärztin. Er ist eine große Enttäuschung für sie.« Sie legte die Tüte neben eine Kaffeemaschine, die aussah, als stecke mehr Technik in ihr als im Spaceshuttle. »Ich hoffe, du weißt, wie das Ding funktioniert.«
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