Der Verrat: Thriller (German Edition)

einen geordneteren Tagesablauf. Wir arbeiteten ein bisschen, wenn Marina an den Nachmittagen Jimmy hatte. Meistens verbrachten wir den Abend mit einer Flasche Wein und einer DVD von Im Zentrum der Macht oder Fußballerfrauen. Dann redeten wir über Bücher, die wir gerade lasen, und den prekären Zustand des Landes unter der New-Labour-Regierung. Ich musste erklären, warum Margaret Thatcher ein Reinfall gewesen war und wie ihre Regierung eine neue Unterschicht begründet und die alten Bindungen innerhalb der Arbeiterklasse zerstört hatte. Der Tod von Betty Friedan und Linda Smith gab mir Gelegenheit, über eine kurze Geschichte des Feminismus zu referieren, was Scarlett faszinierte. Ich vergaß immer wieder, wie viel sie nicht wusste. Mein Wissen mit ihr zu teilen, ohne herablassend zu wirken, wurde zu einer meiner ständigen Bemühungen. Aber jetzt, wo sie die umfassendere Welt von Politik und Gesellschaft entdeckt hatte, saugte sie wie ein Schwamm Informationen auf und versuchte herauszubekommen, was sie in ihrer Welt bedeuteten.
    Genauso wie ich von Pete Ärger bekam wegen der Zeit, die ich mit ihr verbrachte, so wurde ihr von Joshu das Leben schwergemacht. Wenn sich unsere Pfade kreuzten, versuchte er stets, mich für seine Sache einzuspannen. Seine Klagen drehten sich immer um dieselben grundlegenden Pole. Er bekam nicht genug Sex, und Scarlett wollte nicht mehr mit ihm ausgehen.
    An dem Sex konnte ich nichts ändern, aber ich versuchte sie zu ermutigen, mit ihm auszugehen, wenn auch nur um des lieben Friedens willen. Ich bot an zu babysitten, wenn nötig über Nacht zu bleiben. Aber sie hatte keine Lust. »Ich hab keinen Bock«, sagte sie. »Es macht keinen Spaß. Und ich will mich nicht zudröhnen und mit einem Haufen Hohlköpfen und Arschlöchern auf einer Tanzfläche herumtorkeln. Ich will nicht irgendwo sein, wo die Musik zu laut ist, um zu denken oder gar zu reden. Außerdem bin ich ziemlich oft die halbe Nacht auf wegen Jimmy. Warum sollte ich eine halbe Nacht freiwillig aufbleiben wollen? Ich sag dir, Steph, zurzeit wäre meine Vorstellung von Vergnügen, mal acht Stunden durchzuschlafen.«
    Scarletts Einstellung half auch nicht bei Joshus Beziehung zu seinem Sohn. Er schrieb die Veränderungen in Scarletts Benehmen der Tatsache zu, dass sie Mutter geworden war, und verstand nicht, dass das Muttersein ihr Vorwand war, um sich endlich wie die Frau zu benehmen, die sie war, nicht die Frau, für die er sie hielt. Ich kann nachvollziehen, dass es für ihn verwirrend gewesen sein muss; emotionale Intelligenz war nicht gerade seine Stärke. Nicht dass es mit den anderen Intelligenz-Arten besser ausgesehen hätte.
    Und selbst wenn er genug Grips gehabt hätte, die Wahrheit zu erahnen, wäre es nicht so leicht gewesen, dies alles zu durchschauen. Denn die in der Öffentlichkeit bekannte Scarlett stand immer noch sehr im Vordergrund. Und ich muss meinen Teil der Verantwortung dafür übernehmen. Ich war die einzige Autorin/Journalistin, der sie vertrauen konnte, also bekam ich alle Aufträge von den Klatschblättern und der Boulevardpresse.
    Obwohl George klargemacht hatte, dass nur von mir geschriebene Interviews genehmigt und nur Fotos eines Fotografen seiner Agentur verwendet würden, schien die Belagerung durch die Medien nicht abzunehmen. Es gab einen harten Kern von einem halben Dutzend Presseleuten, die jeden Tag da waren. Scarlett konnte mit dem Baby nicht einmal spazieren gehen; die Teleobjektive fingen sie noch zwei Felder weiter ein.
    Aus purer Frustration – und wahrscheinlich angespornt durch eine nörgelnde Fotoredaktion – kletterte einer der bekannten Paparazzi, ein Liebling des Boulevards, tatsächlich über die Mauer und schaffte es aufs Gelände. Scarlett war im Pool, hob gerade den Kopf am Ende der Schwimmbahn und sah, wie er durchs Fenster eine ganze Serie Fotos schoss. Sie war so vernünftig, ihn nicht anzugreifen, sondern rief stattdessen die örtliche Polizei und sehr bald danach einen Maurermeister, der in der darauf folgenden Woche oben auf der Umfassungsmauer Glasscherben anbrachte.
    Maggie war im siebten Himmel. Nichts verkauft sich an den Zeitungskiosken so gut wie ein süßes Baby und eine berühmte Mutter, besonders wenn noch erschwerende Umstände dazukommen. Scarlett und ich, wir durchliefen das gesamte Spektrum von A wie »Anna und Paul«-Krabbelschuhen bis Z wie Zara-Babymützchen. Das bekannte Erscheinungsbild von Scarlett wurde ständig durch endlose Fotoserien