Der Verrat: Thriller (German Edition)
dich erhaschen.«
»Er weiß nicht einmal, wo es ist. Nur so ungefähr die Gegend.«
Sie schnaubte. »Das wird er alles rauskriegen. Er braucht nur in den Pubs herumzufragen. Es würde ihn vielleicht ’nen Zwanziger kosten, aber es gibt jede Menge Leute, die mich verpfeifen würden. Wie weit er damit auch kommen mag. Wie gesagt, hinter meinen Mauern kann er dir nicht auf die Pelle rücken. Jetzt nicht mehr, wo wir die Glasscherben haben.« Sie tat so, als würde sie vor Schmerz zusammenzucken.
»Danke, Scarlett, ich weiß es zu schätzen.«
»Und es ist mir ernst. Bleib, so lange du willst.« Sie zuckte mit den Schultern. »Kannst auch permanent da wohnen, wenn du willst.«
»Das ist nett. Und nichts für ungut, aber ich hätte gern eine eigene Wohnung. Ich muss mir nur überlegen, wo ich hinziehen will, und dann ein Haus finden, das ich mir leisten kann. Wenn ich bei dir eine Verschnaufpause einlegen kann, werde ich nicht vor lauter Eile die falsche Entscheidung treffen und es ihm zu leicht machen, mich zu finden.«
Wir fuhren im Nachmittagsverkehr los und hofften, es nach Essex zu schaffen, bevor der Verkehr zu dicht wurde. Scarletts Angebot war lieb, aber, ehrlich gesagt, konnte ich mich mit dem Gedanken, permanent in der Zone aufgesprühter Ganzkörperbräune zu leben, nicht so recht anfreunden. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich nie meine anderen Freunde sehen würde, in deren Vorstellung Essex nur als Einöde ohne Kultur, kulinarische Genüsse und gute Gespräche eine Rolle spielte. Ich hatte noch nicht entschieden, wo ich mich niederlassen wollte, wusste nur, dass es außerhalb von London sein würde. Und nicht in Essex.
»Du musst dir auch ein neues Handy zulegen«, sagte Scarlett. »Und eine neue E-Mail-Adresse. Nur für deine Freunde und für Maggie. Du solltest dich nicht jeden Tag mit seinem Mist befassen, aber du musst das alles aufheben.«
Was sie da sagte, leuchtete ein. Und ich würde es morgen früh erledigen. Ich hatte mir ein anderes Ergebnis des Tages gewünscht, hatte mir Hoffnung gemacht, dass er für Pete in einem Verhörraum der Polizei enden würde oder damit, dass ihm die Aufforderung zugestellt würde, wegen einer einstweiligen Verfügung zu einem Gerichtstermin zu erscheinen. Aber es war nicht das Ende der Welt. So oder so war ich entschlossen, mir nicht von einem verkorksten Versager vorschreiben zu lassen, wie ich mein Leben gestaltete.
Die Einsicht, dass ich nicht die Einzige war, die von einem verkorksten Versager verfolgt wurde, hätte wahrscheinlich nicht dazu führen sollen, dass ich mich besser fühlte, aber es war so. Ein paar Tage nachdem ich mein Basislager bei Scarlett aufgeschlagen hatte, kam Leanne nach einem Abend in der Stadt voller Empörung zurück. Bald wurde jedoch klar, dass sich unter ihrem Zorn eine viel tiefere Wunde des Missbehagens verbarg.
Sie saß am Küchentisch, rauchte trotzig vor sich hin und schaute finster in ihre Tasse Tee. Als ich einen Kaffee machte und mich ihr gegenübersetzte, hob sie nicht den Blick.
»Mieser Abend?«, fragte ich.
»Du hast ja keine Ahnung.«
»Was ist passiert – ’n paar Cocktails zu viel?«
»Ha, wenn’s nur so wär. Nein, ich bin von dieser verrückten Scheiß-Tussi verfolgt worden, die meint, Scarlett wär ihre beste Freundin, weil sie bei irgendeiner verdammten Benefizveranstaltung ein paar signierte Packungen Scarlett Smile gespendet hat. Ich war kaum reingekommen, da hing sie schon um mich rum mit ihrem Spruch: ›Erinnerst du dich nicht an mich, Süße?‹ Es ist immer ein bisschen verzwickt, wenn sie so was machen, weil ich keinen Schimmer hab, ob sie Scarlett wirklich kennen oder nicht, weißt du? Also muss ich improvisieren. Zum Beispiel so tun, als hätte ich ein verflixt schlechtes Gedächtnis für Gesichter. Jedenfalls, ich dachte, ich wär sie ganz gut losgeworden, aber das stimmte nicht.«
»Das muss ja unangenehm gewesen sein.«
»Es war mehr als unangenehm. Es war verdammt unheimlich. Sie klebte an mir wie ’ne Klette. Ich konnte sie nicht abschütteln. Und weil sie sich benahm, als wären wir beste Freundinnen, konnte ich ja nicht einfach sagen, verpiss dich, nicht vor allen anderen. Das erscheint ja dann direkt in den Morgenzeitungen und im Internet. ›Fluchende Scarlett beleidigt Unterstützerin von Spendenaktion.‹ Du kennst das ja.«
»Wie bist du dann damit fertig geworden?«
Leanne sah plötzlich verschlagen aus. Sie drückte ihre verbotene Zigarette an der Unterseite des
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