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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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    Es sah beklagenswert dürftig aus, und sie würde sich damit keine hochgestellten Freunde machen, aber besser so, als etwas zu versprechen, was sie nicht halten konnte. Sie las es noch einmal durch und nahm das Wort »nachgemachten« heraus, da es unnötig hypothetisch klang.
    Der zweite Absatz stellte eine heiklere Frage, die sie nicht wirklich beantworten konnte; sie konnte nur sagen, ihr Bauchgefühl sei: Stephanie Harker sei weder eine Schwindlerin noch die Handelnde in dieser Krise. Wenn Männer behaupteten, ihr Bauchgefühl sage ihnen etwas, wurde das ernst genommen. Aber Frauen wurden immer noch zur »weiblichen Intuition« verdammt, als sei sie irgendwie minderwertig. Nach Vivians Erfahrung hatten Frauen häufiger recht als Männer, wenn auch nur, weil Mädchen viel mehr als Jungen konditioniert sind, zuzuhören und aufmerksam zu sein.
Harkers Sorge und Angst um den Jungen scheint echt. Als er weggeführt wurde, war ihre Reaktion extrem; niemand stellt sich ohne Not einem zweiten Elektroschock. Außerdem ist Harker keine Autorin, die sich jemals um Publicity bemüht hätte. Bei ihrer Arbeit als Ghostwriterin geht es gerade um das Gegenteil des Strebens nach Bekanntheit. Wenn sie versuchen würde, Furore zu machen, weil sie auf Publicity für ein Buch über den Jungen in ihrer Obhut aus wäre, dann wäre sie doch besser beraten, sich als die gute Mutter hinzustellen? Jemand, der die Entführung vereitelt, statt sie geschehen zu lassen. Darüber hinaus hat sie mir umfassende Informationen einschließlich eines direkten Kontakts zu einem Beamten von Scotland Yard angeboten, der sie und den Jungen persönlich kennt. Aus all diesen Gründen glaube ich weder, dass es hier um einen Trick geht, noch dass sie irgendwie an der Entführung beteiligt ist.
    Dann schickte sie die E-Mail ab und hoffte, sie werde ihren Chef besänftigen. Eigentlich sollte er ja zu viel zu tun haben mit den Drohungen gegen den Präsidenten, um wegen ihrer Ermittlungen übermäßig besorgt zu sein. Oder um ihre intuitiven Vermutungen hinsichtlich Stephanie Harker anzuzweifeln.
    Vivian wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Stephanie zu, die jetzt sichtlich müde wurde. »Ihre Medien haben sich offenbar an der Story festgebissen, fürchte ich.«
    Stephanie stöhnte. »Kann ich mein Handy zurückhaben? Wahrscheinlich sind inzwischen schon hundert SMS und Voicemails drauf. Nicht nur von der Presse, sondern von meinen Freunden und der Familie. Sie sind bestimmt verängstigt und in Sorge. Ich muss mit einigen Leuten sprechen.«
    »Das kann ich verstehen. Und ich beabsichtige nicht, Sie davon abzuhalten. Aber vor allem müssen Sie Jimmy zuliebe weiter mit mir sprechen. Ich muss sicher sein, dass wir jede mögliche Richtung geprüft haben, die uns zu der Person führen könnte, die Jimmy heute Nachmittag mitgenommen hat. Außerdem ist es jetzt schon ziemlich spät drüben in Großbritannien. Ich bin sicher, die Leute werden nicht erwarten, dass Sie heute Abend noch anrufen. Man wird verstehen, was los ist.«
    Stephanie schien daran zu zweifeln. »Sie kennen offensichtlich meine Agentin nicht. Gar nicht zu reden von meiner Mutter. Bitte, was kann es schaden, mir zwei Anrufe zu erlauben? Ich will nur meine Muter und meine Literaturagentin beruhigen. Die auch meine beste Freundin ist. Der Rest kann warten. Sie können mithören, wenn Sie möchten, ich habe keine Geheimnisse.«
    Vivian überlegte. Es war nicht gerade die übliche Vorgehensweise, aber nichts an diesem Fall passte zum gewohnten Schema – keine Gewalt, keine Lösegeldforderung, keine offensichtlichen Motive. Und Stephanie war eine Zeugin, keine Verdächtige. Ihr jeden Kontakt zu verwehren war schwer zu rechtfertigen. Und selbst wenn sie irgendwie indirekt in die Entführung verwickelt war, schien es nicht wahrscheinlich, dass ihre Mutter oder ihre Literaturagentin involviert waren. Überdies war sie sicher, dass Stephanie ihr noch weitere relevante Dinge zu sagen hatte.
    Vivian musste dafür sorgen, dass sie auf ihrer Seite blieb. Zwei Anrufe konnten nicht schaden. Und es war möglich, dass die Gespräche Stephanie an etwas erinnerten, was sie vergessen hatte. Das letzte Argument, die Anrufe zu erlauben, war, dass damit die Furcht ihres Chefs wegen einer geheimen Verabredung berücksichtigt würde. Sollte dies alles ein Plan sein, um Bücher zu verkaufen, dann würde ein Gespräch mit ihrer Agentin doch bestimmt einen Hinweis geben. Sie waren schließlich keine professionellen

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