Der verruchte Spion
sicher, ob er sie erwürgen oder mit ihr schlafen wollte, und die Ungewissheit machte ihm allmählich zu schaffen.
Am nächsten Morgen wäre alles besser. Nach einer durchruhten Nacht, die er in größtmöglicher Entfernung zu der Teufelin verbringen würde, konnte er einen neuen Tag anfangen. Mit dem festen Vorsatz, seine sinnlichen Begierden in Schach zu halten, drehte er sich um. Sie saß auf dem Bett, hatte die Decken fest um sich gewickelt. Er konnte ihr flanellenes Nachthemd sehen, denn sie hatte es bis unters Kinn fest verschlossen.
Sie sah immer noch absolut zum Anbeißen aus.
Er könnte ihren Körper besitzen, jetzt in diesem Moment. Das war ganz offensichtlich. Sie war sich sicher, dass er ihr Ehemann war, und wollte nichts anderes als das, was jede Braut erwarten würde. Das Pochen in seinen Lenden drängte ihn, genau das jetzt auch zu tun. Er könnte zu ihr hinübergehen und sich an ihr befriedigen, obgleich er bezweifelte, dass ein einziges Mal reichen würde.
Er könnte sich mit ihr bis zum Sonnenaufgang zwischen den Laken wälzen und doch nicht genug bekommen. Er könnte sie alle halbe Stunde reiten, bis sie ihr Ziel erreichten, und sie würde ihm freizügig seine »ehelichen Rechte« gewähren, in dem Glauben, sich an einen gewöhnlichen Mann gebunden zu haben.
Bis auf Weiteres.
Dann würden sie in London ankommen, und sie würde
alles erfahren. Und wenn alles erzählt war, würde sie ihn verlassen. Jeder würde das tun. Er hatte den Beweis. Wenn sogar seine eigene Familie ihn verstoßen hatte, was konnte er dann von einer Zufallsbraut erwarten?
Gewissheit durchflutete ihn und verdrängte die Welle des Verlangens, das Willas Angebot in ihm geweckt hatte. Dankbar ließ sich Nathaniel in den kalten Trost seines Pflichtbewusstseins sinken. Und so klangen seine nächsten Worte nicht nach Sehnen, sondern nach fehlendem Interesse.
»Du stellst mich unnötigerweise auf die Probe, Willa. Ich habe kein Interesse daran, diese Ehe jetzt zu vollziehen.« Oder jemals. Er griff nach dem Schürhaken, ging an ihr vorbei und kümmerte sich um das Feuer.
Jetzt hätte Willa ihn am liebsten in den Kamin gestoßen. Nur konnte sie es nicht. Irgendetwas an Nathaniel stimmte sie traurig. Etwas in seinen Augen ließ sie vermuten, dass er nichts als Schmerz von anderen Menschen erwartete.
Wie frustrierend. Und bis Willa dieses komplexe Uhrwerk verstanden hatte, dem ihr Ehemann glich, müsste sie noch mehr geheimnisvolle Stimmungsschwankungen von seiner Seite hinnehmen. Und da behaupteten die Männer, Frauen seien sprunghaft!
Ungeduldig schnaufend zog Willa die Decken höher. Ihre natürliche Schamhaftigkeit kehrte mit zehnfacher Intensität zurück. Doch sie war keine von denen, die aufgaben, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten. »Ich weiß nicht, warum Ihr mich verschmäht, Sir, aber ich muss Euch warnen …«
Er schaute nicht auf. »Wir kennen uns noch nicht einmal, Willa. Wir sollten diese Entscheidung später treffen … wenn ein bisschen Zeit vergangen ist.«
»Wenn du so lange lebst«, murmelte sie.
»Was?« Jetzt schaute er zu ihr hin und runzelte die Stirn.
»Moira ist sich sicher, dass der Fluch nicht von mir genommen wird, bevor ich nicht richtig verheiratet …«
Er schaute auf die Kohlen zurück. »Oh, sprichst du wieder von diesem Hexen-Unsinn?«
»Frag Wesley Moss, ob er es für Unsinn hält! Oder Timothy Sealy!«
»Timothy wie?«
»Ein Kutschunfall. Nicht mehr als ein flatterndes Taschentuch und ein durchgehendes Pferd. Nicht meine Schuld.«
Er senkte den Kopf und rieb sich die Stirn. »Natürlich nicht.«
»Wie auch immer. Du solltest die Gefahr jedenfalls nicht unterschätzen.«
Nathaniel lächelte nicht, aber die Spannung fiel etwas von ihm ab. »Willa, wenn ich dir verspreche, mich in Acht zu nehmen, versprichst du mir dann, dass du nicht mehr versuchen wirst, mich dazu zu bringen mit dir …«
»… zu kopulieren?«
»Lass uns dieses Wort nicht verwenden. Lass es uns miteinander schlafen nennen.«
Als er die Worte aussprach, senkte sich seine Stimme ein wenig.
Willa glaubte nicht, dass es absichtlich geschah. Sie zitterte. Es war verrückt, aber es reichte vollkommen aus, dass er davon redete, und sie wollte es tun.
Mit ihm.
Jetzt.
»Willa? Kannst du mir das versprechen?«
»Was?« Sie blinzelte. »Na gut, wenn du darauf bestehst. Gib mir einfach Bescheid, wenn du mich willst.« Ganz in Gedanken wandte sie ihm den Rücken zu und ließ sich auf ihr Kissen
Weitere Kostenlose Bücher