Der verruchte Spion
Pferdesabber. Sie presste sich eine Hand ins Kreuz, und doch lächelte sie ihn aufgeräumt an.
»Soll ich Blunt für dich tränken, Liebling?«
Das kam noch hinzu. Den ganzen Tag über hatte sie ihm diese Kosenamen um die Ohren geschlagen. Liebling. Liebster. Geliebter Gemahl. Und, am seltsamsten: Kekschen.
»Willa, ich hätte es wirklich lieber, wenn du mich einfach nur Nathaniel nennst.«
Sie zuckte die Achseln. »Von mir aus. Aber du hast damit angefangen.«
»Habe ich nicht!«
»Hast du doch. Heute Mittag auf der Straße. Du hast mich ›Wiesenblume‹ genannt.«
»Ich …« Hatte er das? Ihn beschlich das ungute Gefühl, dass es stimmte. »Also, jedenfalls ist es nicht notwendig, Kosenamen zu verwenden.«
»Natürlich ist es das nicht. Das ist auch nicht der Grund, warum die Leute es tun. Sie machen es, um zu zeigen, dass sie einander mögen. Aber wenn es dir lieber ist, nenne ich dich nur noch Nathaniel.«
»Gut. Danke.« Er wandte sich ab, um sich um die Pferde zu kümmern.
»Keine Ursache, Nathaniel. Danke, Nathaniel. Ich gehe schon mal ins Gasthaus, Nathaniel.«
Nathaniel blieb wie angewurzelt stehen und atmete tief ein. Diese Methode hatte ihn inmitten hitziger politischer Verhandlungen immer beruhigt, deshalb verstand er nicht, warum sie im Umgang mit Willa nicht funktionierte. Möglicherweise
konnte man einem Höllenwesen nichts entgegensetzen.
Einem Höllenwesen? Verdammt! Sehr viel wahrscheinlicher war, dass sie den Laden da unten schmiss.
Kaltes Wasser, nur das würde jetzt helfen. Er erwog, seinen Kopf in die Tränke zu stecken. Wenn er richtiges Glück hätte, würde man ihn ertrinken lassen.
Willa war sehr stolz darauf, dass es ihr gelang zu warten, bis Nathaniel um die Stallecke gebogen war, bevor sie in Gelächter ausbrach.
Willa war bereits auf ihr Zimmer gegangen, doch Nathaniel blieb noch eine Weile unten im Schankraum und unterhielt sich bei einem Krug Ale mit dem Gastwirt.
»Ein kleiner, dünner Mann. Älter, als ich es bin. Ein Gentleman … in gewisser Weise.«
Der Gastwirt kratzte sich die weißen Bartstoppeln auf seinen runden Wangen. »So ein Kerl ist hier durchgekommen. Gestern Mittag. Er ist nicht länger geblieben, hat nur das Pferd gewechselt. Ich erinnere mich daran, weil er viel zu viel für das neue bezahlt hat und sein altes halb tot war, weil er es so sehr angetrieben hatte. Ich hab meiner Frau gesagt, dass für den mehr als Geld auf dem Spiel steht.«
Nur sein Hals. Nathaniel bedankte sich bei dem Mann und zahlte ihn gut für sein Bier. »Gutes Gebräu«, bestätigte er dem Gastwirt.
Als Nathaniel sich zum Gehen wandte, hörte er den Mann murmeln: »Keine Ahnung, wie er darauf kommt. Hat ja keinen Tropfen davon gekostet!«
Foster war ihm anderthalb Tage voraus. Nathaniels letzter Hoffnungsschimmer, dass er die Spur des Mannes in London nicht verlieren würde, war dahin. Verflucht! Der Verräter war bereits in der Stadt!
Finster stapfte Nathaniel die Treppe hinauf, indem er immer
zwei Stufen auf einmal nahm. Sobald er Willa morgen in Reardon House abgeliefert hätte, könnte er sich endlich ganz darauf konzentrieren, Foster wieder aufzuspüren. Verdammt! Dass er ihm aber auch noch mal entwischt war, wo er ihm doch so dicht auf den Fersen gewesen war!
Er öffnete die Tür und marschierte ins Zimmer. Er war nicht in Stimmung für Willas merkwürdigen Humor. »Wir brechen morgen vor Sonnenaufgang …«
Er brach mitten im Satz ab. Dort im Kerzenschein mit heruntergelassenem Haar saß Willa mit gefalteten Händen züchtig auf dem Bett – splitternackt.
»Bist du jetzt bereit, mit mir zu kopulieren?«
7. Kapitel
W illa gab sich größte Mühe, nicht zu zittern, aber innerlich bebte sie. Nicht so sehr wegen der Kälte, sondern aus einer Mischung aus Angst und Erwartung.
Merkwürdigerweise war sie sich nicht sicher, wovor sie sich mehr fürchtete: abgewiesen zu werden oder angenommen. Es hatte sie reichlich Überlegung gekostet, bis sie sich entschieden hatte, ihm nach der Episode auf der Straße heute Mittag dieses Angebot zu machen. Aber dann sehnte sich ein Teil von ihr sehr nach einer Fortsetzung dieses sinnlichen Abenteuers.
Da ihm das Nachthemd ganz offensichtlich nicht gefallen hatte, war sie dieses Mal ein bisschen weiter gegangen. Sie verbot sich, in diesem Zusammenhang an das Wort »nackt« zu denken. Schließlich waren ihre Haare recht lang.
Er sah zugleich grimmig und verblüfft aus, wie er da am Rand des Kerzenscheins stand, die Lippen zum
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