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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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noch immer zu wenig. Jetzt werden in meiner Heimat neuestens hie und da Reform- gymnasien eingerichtet, wo man auch moderne Spra- chen und vielleicht auch Handelswissenschafen lernt, als ich aus der Volksschule trat, gab es das noch nicht. Mein Vater wollte mich zwar im Englischen unterrich- ten lassen, aber erstens konnte ich damals nicht ahnen was für ein Unglück über mich kommen wird und wie ich das Englische brauchen werde, und zweitens mußte ich für das Gymnasium viel lernen, so daß ich für andere Beschäfigungen nicht besonders viel Zeit hatte. – Ich erwähne das alles, um Ihnen zu zeigen, wie abhängig ich von meinem Onkel bin und wie verpflichtet infolgedes- sen ich ihm gegenüber auch bin. Sie werden sicher zuge- ben, daß ich es mir bei solchen Verhältnissen nicht erlau- ben darf auch nur das geringste gegen seinen auch nur geahnten Willen zu tun. Und darum muß ich, um den Fehler den ich ihm gegenüber begangen habe, nur halb- wegs wieder gut zu machen, sofort nachhause gehn." Während dieser langen Rede Karls hatte Herr Pollunder aufmerksam zugehört, öfers, besonders wenn der On- kel erwähnt wurde, Karl wenn auch unmerklich an sich gedrückt und einigemale ernst und wie erwartungsvoll zu Green hinübergesehn, der sich weiterhin mit seiner Briefasche beschäfigte. Karl aber war, je deutlicher ihm seine Stellung zum Onkel im Laufe seiner Rede zu Be- wußtsein kam, immer unruhiger geworden, hatte sich unwillkürlich aus dem Arm Pollunders zu drängen ge- sucht, alles beengte ihn hier, der Weg zum Onkel durch die Glastüre, über die Treppe, durch die Allee, über die Landstraßen, durch die Vorstädte zur großen Verkehrs- straße, einmündend in des Onkels Haus, erschien ihm als etwas streng zusammengehöriges, das leer, glatt und für ihn vorbereitet dalag und mit einer starken Stimme nach ihm verlangte. Herrn Pollunders Güte und Herrn Greens Abscheulichkeit verschwammen und er wollte aus diesem rauchigen Zimmer nichts anderes für sich haben als die Erlaubnis zum Abschiednehmen. Zwar fühlte er sich gegen Herrn Pollunder abgeschlossen, ge- gen Herrn Green kampfereit und doch erfüllte ihn ringsherum eine unbestimmte Furcht, deren Stöße seine Augen trübten.
       Er trat einen Schritt zurück und stand nun gleich weit von Herrn Pollunder und von Herrn Green entfernt. Wollten Sie ihm nicht etwas sagen?" fragte Herr Pol- lunder Herrn Green und faßte wie bittend Herrn Greens Hand. „Ich wüßte nichts, was ich ihm sagen sollte?" sagte Herr Green, der endlich einen Brief aus seiner Ta- sche gezogen und vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Es ist recht lobenswert, daß er zu seinem Onkel zu- rückkehren will und nach menschlicher Voraussicht sollte man glauben, daß er dem Onkel eine besondere Freude damit machen wird. Es müßte denn sein, daß er durch seine Unfolgsamkeit den Onkel schon allzu böse gemacht hat, was ja auch möglich ist. Dann allerdings wäre es besser, er bliebe hier. Es ist eben schwer etwas bestimmtes zu sagen, wir sind zwar beide Freunde des Onkels und es dürfe Mühe machen zwischen meiner und Herrn Pollunders Freundschaf Rangunterschiede zu erkennen, aber in das Innere des Onkels können wir nicht hineinschauen und ganz besonders nicht über die vielen Kilometer hinweg, die uns hier von New York trennen." „Bitte Herr Green", sagte Karl und näherte sich mit Selbstüberwindung Herrn Green, „ich höre aus Ihren Worten heraus, daß Sie es auch für das Beste hal- ten, wenn ich gleich zurückkehre." „Das habe ich durchaus nicht gesagt", meinte Herr Green und vertiefe sich in das Anschauen des Briefes, an dessen Rändern er mit zwei Fingern hin und her fuhr. Er schien damit andeuten zu wollen, daß er von Herrn Pollunder gefragt worden sei, ihm auch geantwortet habe, während er mit Karl eigentlich nichts zu tun habe.
    Inzwischen war Herr Pollunder zu Karl getreten und hatte ihn sanf von Herrn Green weg zu einem der gro- ßen Fenster gezogen. „Lieber Herr Roßmann", sagte er zu Karls Ohr herabgebeugt und wischte zur Vorberei- tung mit dem Taschentuch über sein Gesicht und bei der Nase innehaltend schneuzte er, „Sie werden doch nicht glauben, daß ich Sie gegen Ihren Willen hier zurückhal- ten will. Davon ist ja keine Rede. Das Automobil kann ich Ihnen zwar nicht zur Verfügung stellen, denn es steht weit von hier in einer Öffentlichen Garage, da ich noch keine Zeit hatte, hier, wo alles erst im Werden ist, eine eigene Garage einzurichten. Der Chauffeur

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