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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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dieser Sache gehörigen Lächeln Einwände zu machen schien. Terese – Karl sah nur zu ihr hin – drückte ihr Gesicht in völliger Hilflosigkeit an die Oberköchin und wollte nichts mehr sehn. Der Einzige der mit Karls Erklärung vollständig zufrieden war, war der Oberportier, welcher einigemal wiederholte: „Es ist ja ganz recht, seinem Saufruder muß man helfen" und diese Erklärung jedem der Anwesenden durch Blicke und Handbewegungen einzuprägen suchte.
       „Schuld also bin ich", sagte Karl und machte eine Pau- se, als warte er auf ein freundliches Wort seiner Richter, das ihm Mut zur weitern Verteidigung geben könnte, aber es kam nicht, „schuld bin ich nur daran, daß ich den Mann, er heißt Robinson, ist ein Irländer, in den Schlaf- saal gebracht habe. Alles andere, was er gesagt hat, hat er aus Betrunkenheit gesagt und es ist nicht richtig." „Du hast ihm also kein Geld versprochen?" fragte der Oberkellner.
    „Ja", sagte Karl und es tat ihm leid, daß er daran vergessen hatte, er hatte sich aus Unüberlegtheit oder Zerstreutheit in allzu bestimmten Ausdrücken als schuldlos bezeichnet. „Geld habe ich ihm versprochen, weil er mich darum gebeten hat. Aber ich wollte es nicht holen, sondern ihm das Trinkgeld geben, das ich heute Nacht verdient hatte." Und er zog zum Beweise das Geld aus der Tasche und zeigte auf der flachen Hand die paar kleinen Münzen.
    „Du verrennst Dich immer mehr", sagte der Ober- kellner. „Wenn man Dir glauben sollte, müßte man im- mer das was Du früher gesagt hast vergessen. Zuerst hast Du also den Mann – nicht einmal den Namen Robinson glaube ich Dir, so hat, seitdem es ein Irland gibt, kein Irländer geheißen – zuerst also hast Du ihn nur in den Schlafsaal gebracht, wofür allein Du übrigens schon im Schwung herausfliegen könntest – Geld aber hast Du ihm zuerst nicht versprochen, dann wieder, wenn man Dich überraschend fragt, hast Du ihm Geld verspro- chen. Aber wir haben hier kein Antwort- und Frage- spiel, sondern wollen Deine Rechtfertigung hören. Zu- erst aber wolltest Du das Geld nicht holen, sondern ihm Dein heutiges Trinkgeld geben, dann aber zeigt sich, daß Du dieses Geld noch bei Dir hast, also offenbar doch noch anderes Geld holen wolltest, wofür auch Dein lan- ges Ausbleiben spricht. Schließlich wäre es ja nichts Be- sonderes, wenn Du für ihn aus Deinem Koffer hättest Geld holen wollen, daß Du es aber mit aller Kraf leug- nest, das ist allerdings etwas Besonderes. Ebenso wie Du auch immerfort verschweigen willst, daß Du den Mann erst hier im Hotel betrunken gemacht hast, woran ja nicht der geringste Zweifel ist, denn Du selbst hast zuge- geben, daß er allein gekommen ist, aber nicht allein weg- gehn konnte und er selbst hat ja im Schlafsaal herumge- schrien, daß er Dein Gast ist. Fraglich also bleiben jetzt nur noch zwei Dinge, die Du, wenn Du die Sache ver- einfachen willst, selbst beantworten kannst, die man aber schließlich auch ohne Deine Mithilfe wird feststel- len können: Erstens wie hast Du Dir den Zutritt zu den Vorratskammern verschaf und zweitens wieso hast Du verschenkbares Geld angesammelt?"
       „Es ist unmöglich sich zu verteidigen, wenn nicht gu- ter Wille da ist", sagte sich Karl und antwortete dem Oberkellner nicht mehr, so sehr darunter wahrscheinlich Terese litt. Er wußte, daß alles was er sagen konnte, hinterher ganz anders aussehen würde als es gemeint gewesen war und daß es nur der Art der Beurteilung überlassen bliebe, Gutes oder Böses vorzufinden.
       „Er antwortet nicht", sagte die Oberköchin.
       „Es ist das Vernünfigste, was er tun kann", sagte der Oberkellner.
       „Er wird sich schon noch etwas ausdenken", sagte der Oberportier und strich mit der früher grausamen Hand behutsam seinen Bart.
      „Sei still", sagte die Oberköchin zu Terese, die an ihrer Seite zu schluchzen begann, „Du siehst, er antwor- tet nicht, wie kann ich denn da etwas für ihn tun. Schließlich bin ich es, die vor dem Herrn Oberkellner Unrecht behält. Sag doch Terese, habe ich Deiner Mei- nung nach etwas für ihn zu tun versäumt?" Wie konnte das Terese wissen und was nützte es, daß sich die Oberköchin durch diese öffentlich an das kleine Mäd- chen gerichtete Frage und Bitte vor den beiden Herren vielleicht viel vergab?
      „Frau Oberköchin", sagte Karl, der sich noch einmal aufrafe, aber nur um Terese die Antwort zu ersparen, zu keinem andern Zweck, „ich glaube nicht, daß ich Ihnen

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