Der Verschollene
Oberköchin zwei Monate unverdient genossen habe, ja daß er nichts anderes verdiene, als unter die Hände des Oberportiers zu kommen.
„Ich sage das", fuhr die Oberköchin fort, „damit Du jetzt unbeirrt antwortest, was Du übrigens wahrschein- lich auch sonst getan hättest, wie ich Dich zu kennen glaube."
„Darf ich bitte inzwischen den Arzt holen, der Mann könnte nämlich inzwischen verbluten", mischte sich plötzlich der Lifjunge Bess sehr höflich, aber sehr stö- rend ein.
„Geh", sagte der Oberkellner zu Bess, der gleich da- vonlief. Und dann zur Oberköchin: „Die Sache ist die. Der Oberportier hat den Jungen da nicht zum Spaß fest- gehalten. Unten im Schlafsaal der Lifjungen ist nämlich in einem Bett sorgfältig zugedeckt ein wildfremder schwer betrunkener Mann aufgefunden worden. Man hat ihn natürlich geweckt und wollte ihn wegschaffen. Da hat dieser Mann aber einen großen Radau zu machen ange- fangen, immer wieder herumgeschrien, der Schlafsaal gehöre dem Karl Roßmann, dessen Gast er sei, der ihn hergebracht habe und der jeden bestrafen werde, der ihn anzurühren wagen würde. Im übrigen müsse er auch deshalb auf den Karl Roßmann warten, weil ihm dieser Geld versprochen habe und es nur holen gegangen sei. Achten Sie bitte darauf, Frau Oberköchin: Geld ver- sprochen habe und es holen gegangen sei. Du kannst auch acht geben Roßmann", sagte der Oberkellner nebenbei zu Karl, der sich gerade nach Terese umge- dreht hatte, die wie gebannt den Oberkellner anstarrte, und die immer wieder entweder irgendwelche Haare aus der Stirn strich oder diese Handbewegung um ihrer selbst willen machte. „Aber vielleicht erinnere ich Dich an irgendwelche Verpflichtungen. Der Mann unten hat nämlich weiterhin gesagt, daß ihr beide nach Deiner Rückkunf einen Nachtbesuch bei irgendeiner Sängerin machen werdet, deren Namen allerdings niemand ver- standen hat, da ihn der Mann immer nur unter Gesang aussprechen konnte."
Hier unterbrach sich der Oberkellner, denn die sicht- lich bleich gewordene Oberköchin erhob sich vom Ses- sel, den sie ein wenig zurückstieß. „Ich verschone Sie mit dem weitern", sagte der Oberkellner. „Nein bitte nein", sagte die Oberköchin und ergriff seine Hand, „erzählen Sie nur weiter, ich will alles hören, darum bin ich ja hier." Der Oberportier, der vortrat und sich zum Zeichen dessen, daß er von Anfang an alles durchschaut hatte, laut auf die Brust schlug, wurde vom Oberkellner mit den Worten: „Ja Sie hatten ganz recht Feodor!" gleichzeitig beruhigt und zurückgewiesen.
„Es ist nicht mehr viel zu erzählen", sagte der Ober- kellner. „Wie die Jungen eben schon sind, haben sie den Mann zuerst ausgelacht, haben dann mit ihm Streit be- kommen und er ist, da dort immer gute Boxer zur Ver- fügung stehn, einfach niedergeboxt worden und ich habe gar nicht zu fragen gewagt, an welchen und an wieviel Stellen er blutet, denn diese Jungen sind fürchterliche Boxer und ein Betrunkener macht es ihnen natürlich leicht."
„So", sagte die Oberköchin, hielt den Sessel an der Lehne und sah auf den Platz, den sie eben verlassen hatte. „Also sprich doch bitte ein Wort Roßmann!" sag- te sie dann. Terese war von ihrem bisherigen Platz zur Oberköchin hinübergelaufen und hatte sich, was sie Karl sonst niemals hatte tun sehn, in die Oberköchin eingehängt. Der Oberkellner stand knapp hinter der Oberköchin und glättete langsam einen kleinen beschei- denen Spitzenkragen der Oberköchin, der sich ein wenig umgeschlagen hatte. Der Oberportier neben Karl sagte: Also wirds?" wollte damit aber nur einen Stoß maskie- ren, den er unterdessen Karl in den Rücken gab. „Es ist wahr", sagte Karl infolge des Stoßes unsicherer als er wollte, „daß ich den Mann in den Schlafsaal ge- bracht habe."
„Mehr wollen wir nicht wissen", sagte der Portier im Namen aller. Die Oberköchin wandte sich stumm zum Oberkellner und dann zu Terese.
„Ich konnte mir nicht anders helfen", sagte Karl wei- ter. „Der Mann ist mein Kamerad von früher her, er kam, nachdem wir uns zwei Monate lang nicht gesehen hatten, hierher, um mir einen Besuch zu machen, war aber so betrunken, daß er nicht wieder allein fortgehn konnte."
Der Oberkellner sagte neben der Oberköchin halblaut vor sich hin: „Er kam also zu Besuch und war nach- her so betrunken, daß er nicht fortgehn konnte." Die Oberköchin flüsterte über die Schulter dem Oberkell- ner etwas zu, der mit einem offenbar nicht zu
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