Der Verschollene
vielleicht mit slavischen Worten untermischten Englisch mehr polterten als redeten.
„Danke für die Auskunf", sagte der Polizeimann und salutierte vor Delamarche. „Jedenfalls werde ich ihn mitnehmen und dem Hotel occidental zurückgeben las- sen." Aber Delamarche sagte: „Dürfe ich die Bitte stel- len, mir den Jungen vorläufig zu überlassen, ich hätte einiges mit ihm in Ordnung zu bringen. Ich verpflichte mich, ihn dann selbst ins Hotel zurückzuführen." „Das kann ich nicht tun", sagte der Polizeimann. Delamarche sagte: „Hier ist meine Visitkarte" und reichte ihm ein Kärtchen. Der Polizeimann sah es anerkennend an, sagte aber verbindlich lächelnd: „Nein es ist vergeblich." So sehr sich Karl bisher vor Delamarche gehütet hatte, jetzt sah er in ihm die einzig mögliche Rettung. Es war zwar verdächtig, wie sich dieser beim Polizeimann um Karl bewarb, aber jedenfalls würde sich Delamarche leichter als der Polizeimann bewegen lassen, ihn nicht ins Hotel zurückzuführen. Und selbst wenn Karl an der Hand des Delamarche ins Hotel zurückkam, so war es viel weniger schlimm, als wenn es in Begleitung des Poli- zeimannes geschah. Vorläufig aber durfe natürlich Karl nicht zu erkennen geben, daß er tatsächlich zu Dela- marche wollte, sonst war alles verdorben. Und unruhig sah er auf die Hand des Polizeimanns, die sich jeden Augenblick erheben konnte, um ihn zu fassen.
„Ich müßte doch wenigstens erfahren, warum er plötzlich entlassen worden ist", sagte schließlich der Po- lizeimann, während Delamarche mit verdrießlichem Ge- sicht beiseite sah und die Visitkarte zwischen den Fin- gerspitzen zerdrückte. „Aber er ist doch gar nicht ent- lassen", rief Robinson zu allgemeiner Überraschung und beugte sich auf den Chauffeur gestützt möglichst weit aus dem Wagen. „Im Gegenteil, er hat ja dort einen guten Posten. Im Schlafsaal ist er der oberste und kann hineinführen, wen er will. Nur ist er riesig beschäfigt und wenn man etwas von ihm haben will, muß man lange warten. Immerfort steckt er beim Oberkellner, bei der Oberköchin und ist Vertrauensperson. Entlassen ist er auf keinen Fall. Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat. Wie kann er denn entlassen sein? Ich habe mich im Hotel schwer verletzt und da hat er den Aufrag bekommen, mich nachhause zu schaffen und weil er gerade ohne Rock war, ist er eben ohne Rock mitgefahren. Ich konnte nicht noch warten, bis er den Rock holt." „Nun also", sagte Delamarche mit ausgebreiteten Armen, in einem Ton als werfe er dem Polizeimann Mangel an Men- schenkenntnis vor und diese seine zwei Worte schienen in die Unbestimmtheit der Aussage Robinsons eine wider- spruchslose Klarheit zu bringen.
„Ist das aber auch wahr?" fragte der Polizeimann schon schwächer. „Und wenn es wahr ist, warum gibt der Junge vor entlassen zu sein?" „Du sollst antwor- ten", sagte Delamarche. Karl sah den Polizeimann an, der hier zwischen fremden nur auf sich selbst bedachten Leuten Ordnung schaffen sollte und etwas von seinen allgemeinen Sorgen gieng auch auf Karl über. Er wollte nicht lügen und hielt die Hände fest verschlungen auf dem Rücken.
Im Tore erschien ein Aufseher und klatschte in die Hände zum Zeichen, daß die Gepäckträger wieder an ihre Arbeit gehen sollten. Sie schütteten den Bodensatz aus ihren Kaffeetöpfen und zogen verstummend mit schwankenden Schritten ins Haus. „So kommen wir zu keinem Ende", sagte der Polizeimann und wollte Karl am Arm fassen. Karl wich noch unwillkürlich ein wenig zurück, fühlte den freien Raum, der sich ihm infolge des Abmarsches der Gepäckträger eröffnet hatte, wandte sich um und setzte sich unter einigen großen Anfangs- sprüngen in Lauf. Die Kinder brachen in einen einzigen Schrei aus und liefen mit ausgestreckten Armchen paar Schritte mit. „Haltet ihn!" rief der Polizeimann die lan- ge, fast leere Gasse hinab und lief unter gleichmäßigem Ausstoßen dieses Rufes in geräuschlosem große Kraf und Übung verratendem Lauf hinter Karl her. Es war ein Glück für Karl, daß die Verfolgung in einem Arbei- terviertel stattfand. Die Arbeiter halten es nicht mit den Behörden. Karl lief mitten in der Fahrbahn, weil er dort die wenigsten Hindernisse hatte, und sah nun hie und da auf dem Trottoirrand Arbeiter stehen bleiben und ihn ruhig beobachten, während der Polizeimann ihnen sein Haltet ihn!" zurief und in seinem Lauf, er hielt sich kluger Weise auf dem glatten Trottoir, unauförlich den Stab
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