Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Erklärungen bedurfte.
    Sie hatte recht.
    Zu viel war geschehen. Er hatte die Fürstin erpresst und den König ohne Land belogen. Rickard, mit seiner offenen leichten Art, hätte die Schuld, die Craymorus dadurch auf sich geladen hatte, einfach beiseitegelacht, hätte seine Mutter mit einem Kuss auf die Wange und Cascyr mit einem Schlag auf die Schulter beruhigt. Doch Rickard war nicht mehr da. Es gab nur noch Craymorus und Mellie und das Mädchen irgendwo dort draußen. Er fragte nicht, wohin Merie gebracht worden war. Er wollte nicht, dass Mellie ihn belog.
    Ein Schatten fiel kühl und dunkel über sein Gesicht. Craymorus sah durch die Ritzen zwischen den Wandbrettern. Einer der beiden Gardisten, die Cascyr ihm aufgezwungen halte, ging langsam an dem Verschlag vorbei. Suchend glitt sein Blick über die Menge, die sich auf dem Burghof zerstreute.
    Craymorus legte sich den Zeigefinger auf die Lippen. Mellies Augen weiteten sich, als sie den Gardisten vor dem Verschlag entdeckte. Sie krallte ihre Hand in Craymorus' Arm. Ihre Angst schien die Luft aufzuladen, knisterte bei jedem kurzen, hektischen Atemzug, den sie tat.
    Warum? , fragte sich Craymorus. Warum fürchtet sie den Gardisten so sehr?
    Draußen sah sich der Soldat noch einmal um. Die eingefallenen Lippen über seinem Mund ließen sein Kinn spitz hervorstechen. Wie alle Soldaten der Ewigen Garde war er zahnlos. An einem der ersten Abende in Gesellschaft seiner neuen Bewacher hatte Craymorus sie gefragt, weshalb das so war, doch sie hatten ihn nur angesehen und geschwiegen.
    Der zweite Gardist tauchte vor dem Verschlag auf und blieb neben dem anderen stehen. Craymorus hörte, wie Mellie die Luft einzog und anhielt. Er hätte sie gern in den Arm genommen, aber er wagte es nicht, den Arm auszustrecken. Seine Krücken hielten ihn aufrecht. Er durfte nicht stürzen.
    Die beiden Gardisten blieben nebeneinander stehen. Durch die Ritzen sah Craymorus ihre Gesichter, unterbrochen von hervorstehenden Holzsplittern. Sie schienen nicht miteinander zu reden, nur reglos dazustehen. Nach einem Moment wandten sie sich ab und gingen mit der Präzision von Figuren in einem Glockenspiel in entgegengesetzte Richtungen davon.
    Mellie atmete aus.
    »Du musst keine Angst vor ihnen haben«, sagte Craymorus. »Sie haben keinen Grund, dir etwas zu tun.«
    Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Ihre Finger zitterten. »Es heißt, sie könnten Gedanken lesen.«
    Manchmal vergaß er, dass sie trotz all ihres Ehrgeizes eine Zofe war, die ihre Bildung aus Backstuben, Tavernen und Schlafzimmern der Burg hatte.
    »Kein Mensch kann Gedanken lesen«, sagte er. »Früher einmal konnten sie es, als die Magie noch stark war, doch das ist längst vorbei.«
    Vorsichtig nahm er die rechte Hand von seiner Krücke und strich ihr über die Wange. Er konnte ihre Haut kaum spüren. »Sie werden dir nichts tun, hab keine Angst.«
    Sie nahm seine Hand in die ihre. Craymorus senkte den Blick und betrachtete seine. Sie war hart, von Schwielen und Narben überzogen. Nicht die Hand eines Gelehrten, die Hand eines Krüppels, die fast ein Leben lang eine Krücke gehalten hatte. Und in ihr lag Mellies Hand, so weiß und weich wie die einer Fürstin, nicht rot und rau wie die eines Sklaven.
    Unsere Hände zeigen uns, wer wir wirklich sind , dachte Craymorus. Er zog seine Hand zurück und stützte sich wieder auf die Krücke.
    Mellie sah ihn an. »Willst du nicht wissen, was ich im Hof gemeint habe«, fragte sie, »als ich dir sagte, dass du Fürstin Syrah heiraten würdest?«
    Nein , wollte er antworten. Ich will nichts davon wissen. »Ja«, sagte er.
    Sie lächelte erneut. »Auf dem Weg zurück habe ich lange darüber nachgedacht. Es ist gut, dass wir Syrahs Nachtschattenbastard haben, aber wir dürfen uns nicht auf diesem Sieg ausruhen. Die …«
    Craymorus erlaubte es den Schmerzen in seinen Beinen und Schultern, ihre Worte zu übertönen. Er ahnte längst, was sie sagen würde, dass die Sicherheit, die sie sich durch Fürstin Syrahs Erpressung erkauft hatten, nur vorübergehend war, dass Syrah und Cascyr hinter verschlossenen Türen Pläne für den Tod der Erpresser schmieden würden, während Soldaten und Informanten das Land nach dem Mädchen durchkämmten. Ihr Tod war nur eine Frage der Zeit.
    Mellies Worte durchdrangen den Schmerz wie ein Windstoß den Nebel. »Aber wenn du der Fürst von Somerstorm wärst, könntest du Cascyr der Burg verweisen und Syrah isolieren. Die Macht, die du hättest

Weitere Kostenlose Bücher