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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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fragte sie.
    »Sie werden es tun.« Erys sah hinauf zur Silhouette der Festung. »Du warst gut.«
    Ana war sich nicht sicher, wer damit gemeint war.

 
Kapitel 8
     
    Die alte Hochsprache der Könige sollte dem Reisenden, der sich unter den Herrschern dieser Welt zu bewegen gedenkt, vertraut sein. Mit ihren mehr als dreihundert Anredeformen lässt sich jede Nuance höfischen Lebens beschreiben. Diese abschreckende Komplexität gleicht sie durch ein geradezu primitives Vokabular in allen anderen Bereichen aus. So gibt es nur ein Wort, um Handwerkstätigkeiten aller Art auszudrücken und kein einziges für »Arbeit«.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    Craymorus folgte Mellie durch eine schmale Tür, hinter der Holz für den Winter gelagert wurde, und zog den Schleier von seinem Kopf. In dem Verschlag war es dunkel. Draußen auf dem Burghof zerstreute sich die Menge. Es herrschte eine merkwürdige Stimmung, teils Trauer wegen des getöteten Fürsten und seines verschollenen Sohnes Rickard, teils Überraschung über Fürstin Syrahs Entscheidung, Cascyr, den König ohne Land, zu ehelichen, aber auch Sorge, weil alle einen Angriff der Nachtschatten befürchteten.
    Mellie schloss die Tür hinter sich und umarmte Craymorus. Er spürte die Wärme ihrer Haut durch den dünnen Stoff seines Hemdes, roch den Staub in ihren Haaren und das Salz ihres Schweißes.
    »Ich habe dich vermisst«, flüsterte er. Seine Hand strich über ihren Rücken. Sie trug einen langen Umhang mit zurückgeschlagener Kapuze. Es war ein anderer als der, den sie bei ihrer Flucht getragen hatte.
    »Jeden Morgen und jeden Abend«, sagte Mellie, »habe ich darum gebetet, dass du noch lebst. Als ich dich dann gerade sah …«
    Sie legte den Kopf gegen seine Brust.
    »Du weißt, was geschehen ist?«, fragte er.
    Er spürte ihr Nicken. »Auf den Straßen wurde von nichts anderem gesprochen.« Ihre Haare kitzelten sein Gesicht. »Ist es wahr, dass auch Rickard tot ist?«
    »Er war in Somerstorm, als der Winter kam.«
    »Dann ist das Versprechen, das du ihm gabst, nicht mehr bindend. Du kannst die Suche nach seiner Verlobten abbrechen und dich mit anderen, wichtigen Dingen befassen.«
    Craymorus löste sich aus ihrer Umarmung. Da war sie, die berechnende Entschlossenheit, die immer wieder aus Mellie hervorbrach. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.
    »War deine Reise erfolgreich?«, fragte er steif.
    »Das war sie.« Mellie lehnte sich an einen Holzstapel. Das Tageslicht, das durch die Ritzen der Wände drang, malte ein weißes Gitter auf ihr Gesicht. Nur ihre Augen blieben im Dunkel.
    »Die Tochter der Fürstin war in Boshalam, genau wie meine Tante gesagt hatte«, erzählte sie. »Es war leicht, sie zu finden.« Mellie legte eine Hand auf Craymorus' Krücke, so als wäre das Holz ein Teil seines Körpers. »Craymorus, ihr Name ist Merie, und sie hat das gleiche Mal am Hals, das auch die Fürstin trägt. Es ist ihre Tochter, daran gibt es keinen Zweifel.«
    Ihre Begeisterung sprang nicht auf ihn über.
    »Hast du mit ihr gesprochen?«
    Mellies Hand rutschte von seiner Krücke. Seine Reaktion schien sie zu enttäuschen. »Ich habe mehr als nur das getan. Ich habe Merie an einen sicheren Ort gebracht.«
    »Wurde sie nicht bewacht?«
    »Das Gold, das du mir mitgegeben hast, war den Bewachern wichtiger als ihr Auftrag.«
    Craymorus runzelte die Stirn. Weniger als ein Dutzend Münzen hatten sich in dem Lederbeutel befunden. Es erschien ihm seltsam, dass die Fürstin für eine solch wichtige Aufgabe Männer ausgesucht hatte, die sich so leicht bestechen ließen.
    »Fürst Baldericks Niederlage hatte alle sehr mitgenommen«, erklärte Mellie, als habe sie seine Gedanken gelesen. »Ich glaube, sie waren froh, die Verantwortung loszuwerden.«
    Sie lächelte. »Warum freut dich unser Triumph nicht?«
    Craymorus sah sich nach einem Hocker oder einer anderen Sitzgelegenheit um, fand aber nichts. Seine Beine schmerzten.
    »Weil das, was wir hier tun …« Er brach ab, suchte nach den richtigen Worten. »Wir sind nicht für Intrigen und Machtkämpfe geboren. Das ist ein Spiel für Könige und Fürsten, nicht für Gelehrte und Zofen.«
    Das Lächeln verschwand nicht aus Mellies Gesicht. Sie trat einen Schritt vor. Ihre weiche trockene Hand strich über Craymorus' Wange.
    »Aber du hast längst angefangen, es zu spielen«, sagte sie.
    Er wartete, aber sie fügte nichts hinzu, schien zu glauben, dass es keiner weiteren

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