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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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aufeinander, kämpfte gegen den Schmerz an. Sein Blick blieb an Fürstin Syrahs dünnen, blutleeren Lippen hängen, an den winzigen Falten in ihren Mundwinkeln.
    Sie lächelte. Sie lächelte, um ihm zu zeigen, dass sie den Schmerz sah, dass sie wusste, dass er ein Leben lang ein Krüppel bleiben würde, egal, was er auch von ihr erpresste und erzwang. Es lag kein Hass in diesem Lächeln, denn sie sah nichts in ihm, was Hass wert gewesen wäre, nur Abscheu und Verachtung.
    Du wirst mich hassen , dachte Craymorus durch den grellen, dröhnenden Schmerz. Das Zucken seines Beins, die Krämpfe, das Quietschen der Scharniere und das Klirren des Metalls waren wie ein Schrei, der in seiner Kehle steckte und nicht hinauskonnte.
    Als er ihn schließlich freiließ, tat er es auf die einzige Weise, die ihm blieb.
    »Ich will, dass du mich heiratest«, stieß er hervor.
    Sein Bein knickte ein, die Krücken rutschten über den Stein. Mit dem Rücken prallte er gegen die Wand, rutschte an ihr nach unten, bis er atemlos auf dem Boden saß. Die Krämpfe lösten sich, die Schmerzen verschwanden.
    Er blinzelte Tränen aus seinen Augen und sah zu Syrah empor. Ihr Gesicht war starr, das Lächeln das einer Maske.
    »Ich verstehe«, sagte sie. Der Hass in ihrer Stimme war eine kühle Brise auf Craymorus' Gesicht.

 
Kapitel 9
     
    Was mögen das nur für Menschen sein, so mag sich der Reisende bei seiner ersten Fahrt auf dem Großen Fluss fragen, die an diesem Ort leben können? Umgeben von Wasser, das die Landschaft täglich neu erschafft, das Inseln emporbringt, nur um sie im nächsten Atemzug davonzureißen, stets der Gefahr ausgesetzt, dass der sichere Hafen, den man im Sturm anlaufen will, verschwunden ist oder sich eine Untiefe dort befindet, wo noch am Morgen tiefes Wasser war. Diesem Fragesteller sei gesagt, dass er selten in angenehmerer und freundlicher Gesellschaft speisen wird, vorausgesetzt seine Zunge schätzt den Geschmack von Algen.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    Die Fischer liefen nicht weg, als Gerit gegen Mittag die Südspitze der Insel erreichte. Ein Mann und zwei Frauen empfingen ihn freundlich winkend und luden ihn in einen der Unterstände ein, wo sie mit ihm gemeinsam Algenbällchen aßen und Flusswasser mit Blütenblättern tranken. Sie saßen auf dem Boden, statt auf einem Tisch speiste man auf breiten grünen Blättern, die auf dem Sand lagen. Drei Seevögel, jeder mit einem Hals, der so lang wie Gerits Unterarm war, hockten auf der Reling des nächstgelegenen Boots und starrten die Menschen an. Ihre Augen waren schwarz, die Schnäbel lang und spitz. Sie hatten Schwimmhäute an den Füßen und ölig glänzende Federn. Eine schmale, zusammengeknotete Kordel umgab ihren Hals wie ein Ring.
    »Langhalstaucher«, sagte Muan, ein grauhaariger Mann mit ledriger Haut, als er Gerits Blick bemerkte. »Helfen bei Fischen.«
    Alle vier sprachen die Gemeinsprache nur gebrochen.
    »Wie?«, fragte Gerit.
    Der Mann zögerte einen Moment, suchte vielleicht nach den richtigen Worten, dann nahm er eines der Algenbällchen und hielt es hoch. Fast gleichzeitig stiegen die drei Langhalstaucher auf. Ihre Schwingen berührten einander mit einem Geräusch wie knisterndes Pergament. Der mittlere Vogel war der schnellste. Sein Hals schien länger und schmaler zu werden, als er den Schnabel öffnete und dem Mann das Algenbällchen aus den Fingern zupfte. Er landete neben Gerit auf dem Boden. Die anderen beiden Vögel drehten lautlos ab und kehrten zum Boot zurück.
    Gerit betrachtete den Langhalstaucher, der fast so groß wie er selbst war. Der Vogel legte den Kopf in den Nacken, bewegte ihn vor und zurück, beinahe als müsse er würgen.
    »Was ist mit ihm?«
    Die Fischer lachten. Die jüngere der beiden Frauen – sie hieß Nari, war nur wenig älter als Gerit, aber hochschwanger – klatschte in die Hände. Der Vogel breitete die Flügel aus und hüpfte auf sie zu. Mit Daumen und Zeigefinger griff sie in seinen geöffneten Schnabel, holte das Algenbällchen heraus und zeigte auf die Kordel um den Hals des Vogels.
    »Nicht fressen«, sagte sie.
    Gerit runzelte die Stirn, dann verstand er plötzlich, was sie sagen wollte. »Er kann nicht schlucken. Die Kordel sitzt zu eng.«
    Sie nickte. »Nicht schlucken«, wiederholte sie. Vahra, die ältere Frau, die neben ihr saß, löste die Kordel mit einer kurzen Handbewegung. Der Vogel schüttelte sich, dann schnappte er nach dem Algenbällchen.

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