Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
auf sie herabfielen, so wie seine Stellung durch die kleinen Fehler im Spiel der Mächtigen entstanden war. Doch weder die Blumen noch er wussten, was sich wirklich über ihnen abspielte und wie sehr sie von Gegebenheiten abhingen, die sich ihrem Einfluss entzogen.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Winzige Sandkörner rieben über seine Haut. »Wisst Ihr …« Er unterbrach sich. »Weißt du, woher der Sand in der Schale stammt?«, fragte er. Es war eine dumme Frage, aber sie war das Einzige, was ihm einfiel, um sich von seinen Gedanken abzulenken.
    »Ja. Von den Quellen des Großen Flusses.« Syrahs Blick war auf die Stadt im Tal gerichtet. Sie wirkte abweisend.
    »So glaubt man«, sagte Craymorus. Er hatte viel über die Suche nach den Quellen gelesen. Ewiges Leben sollte der erlangen, der aus der Quelle trank, vielleicht auch unendliche Weisheit oder einen Platz an der Seite der Götter. Niemand wusste das so genau. Es gab Dutzende von Schriftrollen, in denen die Namen derer standen, die sich den Fluss hinaufgewagt hatten. Die meisten hatten aufgegeben, andere waren nie zurückgekehrt.
    Nur einer, so schien es, hatte der Kälte, den Bergen und all den Gefahren, die ihm die Götter entgegenwarfen, getrotzt und war bis zur Quelle vorgestoßen. Eheym Anorphus war sein Name gewesen, und als er nach mehr als zwanzig Jahren nach Westfall zurückkehrte, hatte er nicht älter gewirkt als an dem Tag, an dem er aufgebrochen war.
    Er war vor den Fürsten getreten und hatte genickt, als der ihn fragte, ob er die Quellen gesehen habe. Und dann hatte er den Mund geöffnet, und der schwarze Sand war herausgelaufen, immer weiter, bis er in sich zusammenfiel und nichts mehr von Eheym Anorphus geblieben war als die Kleidung, die er getragen hatte.
    Als Kind hatte Craymorus sich die Geschichte immer wieder erzählen lassen. »Es war eine Botschaft der Götter«, sagte er, halb in der Erinnerung versunken, »die bis heute niemand verstanden hat.«
    Syrah sah ihn an. »Warum erzählst du mir das?« Sie klang misstrauisch.
    »Weil …« Er hob die Schultern. Es gab keine Erklärung. »Ich habe nur darüber nachgedacht.«
    »Denk über die Nachtschatten nach. Das erwartet das Volk von …«
    »Aus dem Weg!« Der Rest ihres Satzes ging in Garrsys lautem Ruf unter. Craymorus blickte an den Holzstangen der Sänfte vorbei nach draußen. Einige Gestalten waren am Wegesrand aufgetaucht. Sie waren verwahrlost, dreckverkrustet und nackt. Im ersten Moment hielt Craymorus sie für Bettler, doch dann sah er die Ketten an ihren Händen und Füßen. Sechs Männer zählte er, ein siebter lag reglos im grünen Gras.
    Einer der Männer fiel auf die Knie, als er Craymorus' Blick bemerkte, und zog die anderen mit sich. »Edle Fürsten«, rief er. »Wir flehen Euch an. Schenkt uns einen Akt der Gnade an Eurem Festtag.«
    Er benutzte die Hochsprache, um seine Unterwürfigkeit auszudrücken. Er musste ein gebildeter Mann sein. Einer der Soldaten spuckte ihm ins Gesicht.
    »Was sind das für Männer?«, fragte Craymorus.
    Syrah warf nur einen kurzen Blick auf sie. »Verräter und Deserteure. Wer sich weigert, die Kriegssteuer zu zahlen, oder sich vor dem Militärdienst drückt, wird mit anderen zusammengekettet und irgendwo ausgesetzt. Wir in Westfall haben keine Verwendung für solchen Abschaum.«
    Die Sänfte glitt an den Männern vorbei. Fliegen saßen auf dem, der im Gras lag. Seine Haut war grünlich verfärbt.
    »Einer von ihnen ist tot«, sagte Craymorus, unfähig den Ekel aus seiner Stimme zu verbannen.
    »Und die anderen werden es bald auch sein.« Syrahs Mundwinkel zuckten, als wolle sie lächeln. »Außer natürlich, der Fürst beschließt, den Verrätern Gnade zu gewähren.«
    Sie sprach so laut, dass die Soldaten vor der Sänfte ihre Worte verstehen konnten. Craymorus sah auf ihren Gesichtern, was sie davon hielten.
    »Natürlich nicht«, sagte er ebenso laut. »Was für eine absurde Idee!«
    Er wandte den Blick von den Männern ab, verbannte sie aus seinen Gedanken. Er konnte es sich nicht leisten, die Soldaten gegen sich aufzubringen. Kein Herrscher konnte ohne Soldaten regieren.
    Auch Syrah nicht , dachte er. Das war ein Gedanke, den er nicht vergessen durfte.
    Am Fuß des Hügels wurde der Weg zur gepflasterten Straße. Sie führte durch die Stadt hindurch bis hinauf zur Festung. Craymorus bemerkte, dass Garrsy nervöser wurde, je mehr Menschen um sie herum auftauchten. Wenn es nicht zur Tradition Westfalls gehört hätte, einen

Weitere Kostenlose Bücher