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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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neuen Fürsten dem Volk zu zeigen, wäre er dem Fest wahrscheinlich ausgewichen. So hatte er keine Wahl. Seine Soldaten nahmen ihre Lanzen quer in beide Hände und schufen Platz für die Sänfte. Menschen kamen heran, winkten und grölten ihre Glückwünsche ins Innere. Manche versuchten Craymorus und Syrah anzufassen, andere warfen ihnen Blumen zu. Ein Meer von Köpfen, alte und junge, weibliche und männliche, wogte vor der Sänfte auf und ab.
     
     
    Craymorus hörte, wie einer der Träger den anderen über den Lärm des Festes etwas zurief. Die Sänfte wackelte. Er glaubte, sie würde kippen, und hielt sich an einem Stützbalken fest, während sich Syrah mit beiden Beinen gegen das Holz stemmte. Doch die Sänfte kippte nicht, sondern wurde hochgehoben, bis sie auf den Schultern der Träger ruhte.
    Craymorus atmete tief durch. Er hatte nicht bemerkt, wie stickig es in der Menge gewesen war. Neben ihm zog Syrah ihr Kleid zurecht. Eine Blüte hatte sich in ihrem Haar verfangen.
    »Wink deinem Volk zu«, sagte sie. »Es ist zusammengekommen, um uns zu feiern.«
    Craymorus sah über die Köpfe hinweg. Überall spielte Musik, vier oder fünf Melodien versuchten sich gegenseitig zu übertönen und machten es unmöglich, auch nur eine einzige zu erkennen. Lautespieler standen vor den Tavernen und neben provisorisch aufgestellten Bänken und Tischen. Barden und Balladensänger nutzten längst ausgetrunkene Bierfässer als Bühne, Menschentrauben bildeten sich um Feuerschlucker, Tanzbären und Illusionisten. Nur dort, wo die Sänfte vorbeikam, drängten sich die Menschen um sie herum.
    Sie hat unrecht , dachte Craymorus. Sie feiern nicht uns, sondern sich selbst.
    Er dachte an den Tag, an dem er und Rickard in Westfall eingetroffen waren, an die verzweifelte Fröhlichkeit, die er bei den Feiernden, die am Morgen danach den Nachtschatten entgegengezogen waren, gespürt hatte.
    Das Volksfest, das er von seiner Sänfte aus beobachtete, erschien ihm anders, weniger verzweifelt, fröhlicher. Niemand schien darüber nachzudenken, dass die Nachtschatten bereits zwei Städte im Nordwesten Westfalls eingenommen hatten. Craymorus befürchtete, dass sie all ihre Hoffnungen in ihren neuen Fürsten setzte, Hoffnungen, die er nicht erfüllen konnte.
    Gelächter und Applaus rissen ihn aus seinen Gedanken. Er drehte den Kopf und sah eine Menschentraube, die sich auf einem kleinen Platz vor einigen Häusern versammelt hatte. Zwei Männer standen in ihrer Mitte. Sie trugen bunte Kleidung und jonglierten mit Bällen und anderen Gegenständen, unter anderem, wie Craymorus bemerkte, mit einem Tierschädel und einem rostigen Schwert. Er sah ihnen zu, während er Hände schüttelte und auf Glückwünsche antwortete. Die beiden Männer bewegten sich rhythmisch, beinahe so, als würden sie tanzen. Bälle flogen empor, das Schwert drehte sich über ihren Köpfen. Einer der beiden fing es auf und warf es dem anderen entgegen. Die rostige Spitze schoss auf den Jongleur zu. Ein Schrei ging durch die Menge, Warnung und Erschrecken zugleich, doch bevor das Schwert den Mann durchbohren konnte, drehte sich die Spitze und flog senkrecht nach oben, traf den Tierschädel an seiner Stelle.
    Aus dem Schrei wurde Gelächter. Ineinander verkantet drehten sich Schwert und Tierschädel über der Menge. Einen Moment lang hingen sie in der Luft, dann lösten sie sich voneinander. Die Männer fingen sie auf und verneigten sich vor ihrem Publikum.
    Unter Craymorus bewegte sich die Sänfte. »Wartet!«, rief er den Trägern zu. Sie hielten an.
    Leutnant Garrsy drehte sich um. »Herr?«
    Craymorus spürte seinen Herzschlag in der Kehle. Auf dem Platz begannen die Jongleure Geld in ihren Hüten zu sammeln. Er zeigte auf sie. »Seht Ihr diese Männer?«
    Garrsy streckte sich. Er war ein großer Mann, der über die meisten anderen hinwegsehen konnte. »Ja, mein Fürst«, sagte er nach einem Moment.
    »Bringt sie mir!«
    »Jawohl, mein Fürst.« Der Leutnant nickte vier seiner Männer zu. »Kommt mit.«
    Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Craymorus sah ihnen nach, die Hände zu Fäusten geballt. Er spürte winzige Sandkörner unter seinen Nägeln.
    »Was soll das?«, fragte Syrah neben ihm. Sie klang ungehalten. »Wir haben genügend Gaukler in die Festung eingeladen.«
    »Nicht solche wie diese.«
    Die Soldaten hatten den Platz fast erreicht. Einige Zuschauer drehten sich bereits nach ihnen um.
    »Hast du ihre Vorstellung nicht gesehen?«, fragte Craymorus, ohne

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