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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zurück.«
    Craymorus sah ihm nach, als er, die Krücken über der Schulter tragend, zwischen den Gästen verschwand. Er hasste seine Krücken, hasste die Unbeholfenheit, die Schmerzen und die Abhängigkeit. Und doch erkämpfte er sich mit ihrer Hilfe jeden Tag ein kleines Stück Freiheit gegen seinen Körper, den Feind. Er fühlte sich unwohl, wenn sie nicht in seiner Reichweite waren.
    Nach und nach kamen die Hochzeitsgäste zu seiner Sänfte. Er kannte nur einige Beamte, die ihm gelegentlich in der Festung begegneten, die anderen – Verwandte, Händler und Gelehrte – stellten sich ihm vor und beglückwünschten abwechselnd ihn und Westfall zu diesem Glückstag . Keiner erwähnte Fürstin Syrah. Craymorus fragte auch nicht nach ihr. Nur gelegentlich warf er einen Blick in die Menge, fand aber weder sie noch ihre Zofe Arie. Seit seiner Erpressung vor mehr als sieben Tagen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Arie hatte Craymorus die Umstände der Heirat mitgeteilt. Er war sicher, dass sie ihn fast ebenso sehr hasste, wie es ihre Herrin tat.
    Nach einer Weile kehrte der Priester zusammen mit vier anderen zurück, die ebenso jung und makellos wie er selbst waren.
    »Wenn es Euch beliebt, Mylord, kann die Zeremonie beginnen.«
    »Es beliebt mir.«
    Die Sklaven, die seine Sänfte bisher getragen hatten, traten zur Seite und überließen den Priestern ihren Platz. Craymorus musste sich an den Holzverstrebungen festhalten, als sie die Sänfte ungeschickt hochhoben und mit ungleichmäßigen Schritten auf die Holztüren zugingen. Die Gäste verneigten sich, als Craymorus sie passierte. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass manche, die sich unbeobachtet wähnten, untereinander tuschelten. Von den Beamten und Gelehrten glaubte sicherlich keiner an eine Prophezeiung.
    Die Holztüren schwangen lautlos auf. Die Priester trugen die Sänfte in einen Raum, der im Halbdunkel lag. Craymorus warf einen Blick auf seine Beine. Die Decke verbarg sie, es war nichts von ihnen zu sehen. Dann sah er sich um. Die Wände und der Fußboden bestanden aus schwarzem Marmor. Wasser lief von der Decke zum Boden, sammelte sich in einer Furche, die so breit war, dass sich die Priester mit ihrer Last mühelos hindurchbewegen konnten. Das Wasser funkelte, etwas in der Furche knirschte bei jedem Schritt, den die Männer taten. Erst nach einem Moment begriff Craymorus, dass sie auf Diamanten liefen, nach einem weiteren, dass es sich bei der Furche um nichts anderes als ein Abbild des Großen Flusses handelte.
    Wir gehen der Quelle entgegen , dachte Craymorus. Sein Blick richtete sich nach vorn, auf das Ende der Furche und auf eine schwarze Schale, die dort auf einem Podest stand. Er wusste, was sich darin befand, auch wenn er es nicht sehen konnte.
    Sein Mund wurde trocken, als er Syrah sah. Sie kniete mit dem Rücken zu ihm auf einem Kissen vor dem Podest. Das Kleid, das sie trug, war blau wie die Flagge Westfalls. Das Glitzern der eingenähten Silberfäden verblasste im Funkeln des Wassers. Selbst die Meisterschneider von Braekor konnten sich nicht mit dem Glanz von Diamanten messen.
    Die Priester setzten die Sänfte neben Syrah ab. Der, der auch schon zuvor mit Craymorus gesprochen hatte, zeigte auf einen Spiegel, der an der Wand hinter dem Podest hing. »Wenn die Sonne den Spiegel berührt, sind die Götter bereit, Euren Schwur zu hören«, sagte er. »Reinigt Eure Seele im Gebet, bevor es so weit ist.«
    Craymorus nickte, Syrah sah den Priester noch nicht einmal an. Die Männer zogen sich nach einer tiefen Verbeugung zurück. Hinter ihnen schlossen sich die Türen. Craymorus hörte das Klicken eines Schlosses. Er war allein mit Syrah.
    Leise plätscherte das Wasser. Syrah hielt den Blick starr auf die Schüssel gerichtet, so als würde sie beten, aber ihr Mund bewegte sich nicht. Craymorus sah, dass man das Feuermal an ihrem Hals überschminkt hatte. Der Kragen ihres Kleides war braun verschmiert.
    Sie ist eitel , dachte er.
    Er rückte die Kissen in seinem Rücken zurecht und wünschte sich, man hätte ihm seine Krücken gelassen. Die Sänfte war ihm peinlich. Er hob den Kopf und suchte nach einem Loch in der Wand, nach dem Punkt, durch den die Sonne auf den Spiegel fallen würde, aber es war zu dunkel, um etwas zu sehen. Wie lange würde es wohl dauern, wenige Lidschläge oder einige Stunden? Und was für ein Schwur wurde von ihnen erwartet? Niemand hatte ihm etwas darüber gesagt. Er hatte Mellie nach der Zeremonie gefragt, aber sie

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