Der verwaiste Thron 02 - Verrat
sich die Feuer gefressen. Rauch verdunkelte die Sonne und ließ alle Farben grau erscheinen.
Schwarzklaue schüttelte Asche von seinem Körper und machte sich auf den Weg zurück ins Lager der Nachtschatten. Er blieb auf den Hügeln, wich den Feuern aus. Einige Male versuchte er nach unten zu gelangen, musste aber immer wieder umkehren, weil die Hitze zu groß wurde und bittere Luft seine Kehle zuzuschnüren begann. Der Wind trieb ihm Rauch und Feuer entgegen.
Schwarzklaue blieb stehen. Seine Augen brannten. Funken flogen an ihm vorbei und entzündeten einen verlassenen Karren voller Heu. Der Rauch war so dicht, dass Schwarzklaue den Großen Fluss nur noch erahnen konnte. Das Lager, das die Nachtschatten vor den Toren der Stadt aufgeschlagen hatten, war nicht zu sehen. Endlos breiteten sich die Flammen vor ihm aus.
Nimmt diese verfluchte Stadt denn kein Ende? , dachte er, als er sich nach Norden wandte und dem gewundenen Weg weiter am Hügel entlang folgte. Erste Feuer brachen auf den Dächern der Hütten aus. Niemand löschte sie, kein Mensch befand sich auf der Straße. Schwarzklaue war allein.
Er fand einen Krug mit Wasser neben einer Hütte und trank. Beinahe hätte er gelacht, als er daran dachte, was Korvellan wohl gesagt hätte, wenn er ihn so hätte sehen können: der Anführer der Nachtschatten, allein und von einem Feuer eingeschlossen, das er selbst gelegt hatte.
Narr – das war es, was er gesagt hätte.
»Weil du es nicht verstehst!«, rief Schwarzklaue über das Brüllen des Feuers hinweg. Er schüttete den Rest des Wassers über seinen Kopf und schüttelte sich. Sein Weg hatte ihn an diesen Ort geführt. Niemand außer ihm hatte ihn bestimmt, und selbst wenn er in diesem Feuer den Tod eines Narren starb, so war es doch sein Tod, nicht der eines anderen. Das war der Unterschied zwischen einem Krieger und einem Soldaten. Schwarzklaue hatte oft versucht, Korvellan zu erklären, was das bedeutete, aber ihm hatten die richtigen Worte gefehlt.
»Jetzt kenne ich sie, aber du bist nicht hier, um sie zu hören. Wo bist du?« Er warf den Krug gegen eine Hüttenwand; er zerschellte, Scherben fielen in den Staub.
Aus den Augenwinkeln sah er plötzlich eine Bewegung. Schwarzklaue fuhr herum. Ein Gesicht blickte ihm aus dem Spalt zwischen einer Mauer und einem Tor entgegen. Die Augen weiteten sich, dann verschwand das Gesicht.
Mit drei Sätzen erreichte Schwarzklaue das Tor. Er hörte, wie jemand an einem Riegel zog, und warf sich mit der Schulter gegen das Holz. Ein Schrei, dann schwang das Tor auf, und Schwarzklaue warf sich hindurch.
Die Gestalt hinter dem Tor war zu Boden gegangen. Sie trug eine Lederrüstung und hatte langes braunes Haar. Ihre Hand tastete nach dem Schwert in ihrem Gürtel. Schwarzklaue brach ihr mit einem Tritt den Arm und zerfetzte ihre Kehle, bevor sie einen Schrei ausstoßen konnte. Dann zog er das Schwert aus ihrem Gürtel und erhob sich.
Er stand in einem Innenhof. Die hohen Mauern, die ihn umgaben, dämpften das Tosen und die Hitze des Feuers, ließen ihn endlich wieder klar denken. Das Gebäude vor ihm wurde von einem Balkon umlaufen. Hinter den Fensteröffnungen konnte er keine Bewegung erkennen. Die Tür war angelehnt. Vier Pferde standen vor der Treppe. Man hatte sie festgebunden. Sie trugen Zaumzeug und Sättel.
Schwarzklaue lauschte. Er hörte nichts außer dem Röcheln der Sterbenden zu seinen Füßen. Er fragte sich, weshalb sie das Tor geöffnet hatte. War es der Klang seiner Stimme gewesen? Hatte sie geglaubt, jemand wäre gekommen, um ihr zu helfen?
Entscheidungen , dachte er. Sie hatte ihre getroffen.
Ihre Fersen schlugen noch einmal in den Staub, dann lag sie still.
Schwarzklaue wandte sich um. Vorsichtig ging er näher an das Haus heran. Er roch nichts. Der Rauch war zu dicht. Sein Blick glitt immer wieder nach oben. Von dort drohte die größte Gefahr. Die Frau, die er getötet hatte, war bewaffnet gewesen. Er musste davon ausgehen, dass alle anderen, die sich in dem Gebäude aufhielten, ebenfalls bewaffnet waren.
Ein Knall, so als würde eine Tür zugeschlagen, laute Schritte, ein Schatten, der ihm aus dem Haus entgegenlief. Schwarzklaue wich zurück, das Schwert erhoben. Tageslicht riss den Schatten aus der Dunkelheit. Es war eine junge Frau. Sie fiel vor ihm auf die Knie. Staub und Asche wallten auf und legten sich auf ihr Haar.
»Töte mich nicht!«, schrie sie. »Ich habe die Flussgötter gebeten, mich zu töten, aber es war nicht so gemeint!«
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