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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sondern riss ihn auseinander.
    Dann erhob er sich und schüttelte das Blut aus seinem Fell. Der Wind trug Heties Geruch zu ihm. Auf allen vieren folgte er ihr durch den Wald.
    Aus dem gestreckten Lauf heraus bohrte er seine Krallen in ihren Rücken. Sie starb, als er ihr Herz zerfetzte.
    Schwarzklaue ließ sie liegen und ging zurück zur Lichtung. Er wartete auf das Gefühl des Sieges, den Rausch des Blutes, aber da waren nur Müdigkeit und ein merkwürdig unangenehmer Geschmack, so als habe er in einen faulen Apfel gebissen.
    Auf der Lichtung legte er die Leiche des toten Nachtschattens über seine Schultern und sah auf den Großen Fluss hinaus. Endlos breitete sich das Wasser vor ihm aus.
    »Westfall«, flüsterte er. »Westfall.«

 
Kapitel 22
     
    Die Reise auf dem großen Fluss birgt viele Gefahren: Piraten, Untiefen, Stürme und Stromschnellen. Die häufigste ist jedoch die Langeweile, hervorgerufen durch die Untätigkeit und die endlose blaue Fläche des Wassers. Nicht selten schlägt sie in eine Leidenschaft um, von der man sich, steht man mit beiden Füßen wieder auf festem Boden, kopfschüttelnd abwendet.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    »Reib deine Stirn mit Algen ein, bevor du dich schlafen legst. Das hilft gegen die Träume«, sagte Nungo'was.
    Sie zog einen Eimer mit Wasser an Deck und wusch sich Gesicht und Hände. Es war ihr dritter Morgen auf dem Fluss und der dritte, an dem sie aus Alpträumen hochgeschreckt war.
    Nungo'was blieb neben ihr stehen.
    »Möchtest du etwas essen?«, fragte er, als Ana sich das Gesicht mit dem Hemdsärmel abtrocknete. »Ich könnte dir ein paar Algen machen.«
    Auf dem Schiff schienen Algen eine Art Maka zu sein, eine Pflanze, die zu allem gut war. Die Matrosen frittierten sie, aßen sie als Salat, kühlten Wunden damit, tranken sie als Schnaps und knüpften Schlafmatten aus den getrockneten Stängeln.
    »Danke, ich bin nicht hungrig«, sagte Ana.
    Nungo'was zog seine Hose hoch. Er hatte sie mit einem Strick zusammengebunden, und sein behaarter Bauch hing darüber wie ein prall gefüllter Wassersack. »Vielleicht später?«
    »Ja, vielleicht.« Ana wandte sich ab und ging zum Bug, wo sie unter einem der Rettungsboote ihr Lager aufgeschlagen hatte. Erys lehnte an der Reling und sah ihr entgegen, der Ewige Gardist stand neben ihr. Wie die anderen Frauen auch trug sie das Gesichtstuch nicht mehr, das in Srzanizar das Erkennungszeichen der Todesmasken gewesen war. Die Stadt existierte nicht mehr. Alle Geheimnisse, die es dort einmal gegeben hatten, waren auf dem Schiff ohne Bedeutung.
    »Der Junge ist sehr freundlich«, sagte sie zu Ana. Der Wind spielte mit ihrem Haar, wirbelte es über ihr Gesicht. Sie zog einen Stoffstreifen aus der Tasche und band es zusammen.
    Ana stützte die Ellenbogen auf die Reling. »Im Moment sind alle freundlich. Sie wissen, dass sie nur euretwegen am Leben sind.«
    »Unsertwegen«, korrigierte Erys. »Aber er ist freundlicher zu dir als zu allen anderen. Sei vorsichtig. Ein fürstlicher Bastard käme uns sehr ungelegen.«
    Ana drehte den Kopf, damit Erys nicht sah, wie sie errötete. »So freundlich ist er auch wieder nicht, und ich bin nicht so dumm.«
    Eine Weile herrschte Stille neben ihr, dann sagte Erys: »Du hast recht. Es tut mir leid. Du bist die Fürstin. Ich sollte dein Urteilsvermögen nicht anzweifeln.«
    Sie machte eine Pause, dann spürte Ana ihre Hand auf ihrem Arm. »Aber vielleicht kannst du mir eine Sorge nehmen, Fürstin, indem du nicht mehr so oft mit dem Jungen redest.«
    Es war keine unverschämte Bitte, entschied Ana, und sie nickte. »Ich werde darüber nachdenken.«
    Die Frauen hatten den Bug des Fährschiffs zu ihrem Gebiet erklärt. Dort standen die drei vergitterten Ochsenkarren mit den Gefangenen, der eine mit Gittern aus Bambus, die beiden anderen, in denen die Stadtsoldaten hockten, mit Eisenstäben. Die Ochsen und Pferde waren daneben festgebunden. Die anderen Flüchtlinge hielten Abstand zu ihnen und drängten sich im Heck und unter Deck zusammen.
    Ana schätzte, dass weit über hundert Menschen an Bord waren. Die meisten am Deck starrten vor sich hin und schienen noch nicht so ganz begriffen zu haben, was geschehen war. Andere standen an der Reling und versuchten mit kleinen Netzen und Angelschnüren Nahrung an Bord zu ziehen. Es gab nur zwei Feuerstellen, die Tag und Nacht von Matrosen bewacht wurden. Wer etwas gekocht haben wollte, musste dafür bezahlen.

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