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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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konnten.
    »Stimmt«, sagte Jagar. »Die kann uns nicht mehr verpfeifen.« Er hob das Schwert. »Der hier schon.«
    Gerit warf ihm die Decke entgegen und schnellte hoch. Potje und Jagar schrien überrascht auf. Die Decke verfing sich in der Schwertspitze. Jagar fluchte und trat nach Gerit, doch der sprang über sein Bein und auf den Rücken des Pferdes.
    Der Hengst wieherte erschrocken. Gerit zog ihm das Zaumzeug vom Kopf, mit dem es festgebunden war; ihm blieb nicht genug Zeit, den Knoten zu lösen. Mit den Fersen schlug er dem Pferd in die Flanken. Es stieg auf. Äste und Blätter streiften Gerit. Er glaubte zu rutschen und krallte seine Hände in die Mähne.
    Das Pferd galoppierte hinein in den Wald. Gerit hörte die Männer fluchen. Ein Stein flog weit links an ihm vorbei und prallte von einem Baumstamm ab. Er duckte sich unter Ästen hinweg und brachte den Hengst erst zum Stehen, als er nichts mehr hörte außer dem Donnern der Hufe und dem Pfeifen des Windes.
    Schwer atmend sah er sich um. Bäume, Sträucher, hier und dort ein umgefallener Stamm oder abgerissene Äste. Vögel sangen in den Wipfeln. Die Männer waren verschwunden.
    Gerit strich sich die Haare aus der Stirn. Wir werden uns noch einmal sehen , dachte er. Dann sah er in den Himmel hinauf, drehte sich, bis sein Schatten über den Hals des Pferdes fiel, und ritt weiter.
     
     
    Es war bereits Nachmittag, als er den Pass erreichte. Er hatte Hunger, aber die Satteltaschen mit seinen Vorräten hatte er ebenso zurücklassen müssen wie die Decke und den Umhang. Die Wärme des Hengstes schützte ihn ein wenig vor der Kälte, aber jeder Windstoß stach in sein Gesicht.
    Er wusste, dass es gefährlich war, so spät am Tag mit dem Aufstieg zu beginnen, aber er wagte es nicht, am Fuß des Passes zu lagern. Vor dem Überfall der Nachtschatten war die Gegend berüchtigt gewesen wegen der Banditen, die Händlern aufgelauert hatten. Seit den Nachtschatten waren es Deserteure wie die drei, die ihm am Morgen begegnet waren, die das Land gefährlich machten.
    Mit den Fersen lenkte er das Pferd den Pass hinauf. Wann immer er konnte, zog er die Beine an und wärmte seine Füße auf dem Pferderücken. Zum ersten Mal seit Beginn seiner Reise – wie lang war das her, zwei Blindnächte oder schon drei? – hoffte er darauf, einem anderen Reisenden zu begegnen. Die restlichen Tage hatte er darauf geachtet, möglichst unentdeckt zu bleiben und keine Spuren zu hinterlassen. Doch als er den Berg vor sich sah, wünschte er sich zum ersten Mal, nicht mehr allein zu sein.
    Bis zur Abenddämmerung brachte er den Aufstieg hinter sich. Er ritt über den kleinen, steilen Pass, nicht den großen, den die Händler mit ihrem Vieh und ihren Karren benutzten. Auf ihm gab es keine Herbergen, aber dafür war er so kurz, dass man ihn an einem Tag oder in einer Nacht hinter sich bringen konnte.
    Am höchsten Punkt hielt Gerit an. Somerstorm breitete sich vor ihm aus, eine gewaltige, nicht enden wollende Ebene aus struppigem gelbem Gras und braunem Moos. Ein grauer Himmel hing darüber, den selbst die untergehende Sonne nicht durchdringen konnte.
    Der Pass schlängelte sich steil am Berg entlang. Gerit sah die Überreste von Feuern und einige auf Ästen aufgespießte Ziegenschädel am Wegesrand. Reisende hatten die Tiere geopfert, um die Götter gnädig zu stimmen.
    Wie dumm , dachte Gerit. In Somerstorm wusste man, dass die Götter keine Gnade kannten. Man hielt sich von ihnen fern, so gut es ging, und hoffte, dass sie einen nicht bemerkten.
    Seine Zähne schlugen aufeinander, der Wind fuhr durch sein Hemd und die dünne Hose. Bei jedem Atemzug bildete sich eine Wolke vor seinem Gesicht, grau wie der Himmel. Der Schweiß des Pferdes dampfte. Eis knirschte unter seinen Hufen. Der Geruch nach Schnee hing über dem Berg wie eine Drohung.
    »Ich bin der Norden«, flüsterte Gerit. »Er wird mir nichts tun.«
    Er drückte dem Hengst die Fersen in die Flanke, aber lenkte ihn nicht, überließ es ihm, den Weg nach unten zu finden. Das Pferd tastete sich mit gesenktem Kopf vor. Gerit spürte seine Angst.
    Als die Monde aufgingen, kam die Kälte. Sie brannte auf Gerits Haut und riss seine Lippen auf. Er setzte sich auf seine Hände, um sie zu wärmen, doch nach einer Weile konnte er sie kaum noch bewegen. Seine Muskeln verkrampften sich und zitterten so stark, dass sie schmerzten. Jeder Windstoß trieb ihm Tränen in die Augen, ließ ihn schluchzen. Er schämte sich dafür, aber er konnte nicht

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