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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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die Welt noch einmal blinzelte. Jeder Schritt, jedes Aufschlagen einer nackten Fußsohle im Schlamm knallte scharf wie ein Peitschenschlag und war doch so leise wie der Fall einer Feder. Schlamm spritzte in die ausdruckslosen, starren Gesichter der Magier. Schweiß lief über ihre Wangen, die Roben klebten an ihren Körpern, aber sie zeigten keine Regung.
    »Mir wird schlecht, wenn ich sie ansehe«, sagte Nyrdok leise.
    Jonan antwortete nicht. Die Tänzer faszinierten und verstörten ihn. Es war, als gehörten sie nicht in diese Welt, so als hätten sie sich den Platz darin erzwungen.
    Als wären sie keine Menschen , dachte er, doch dann wehte eine Brise den Geruch der Nachtschatten zu ihm herüber, und er wandte sich ab. »Da sind sie«, sagte Dogart ein paar Lidschläge später.
    Die Nachtschatten tauchten zwischen den Häusern am Fuße des Hügels auf. Ein paar nervöse Bogenschützen schossen Pfeile ab. Sie bohrten sich weit vor den Angreifern in den Boden.
    »Wartet auf meinen Befehl!«, brüllte Mornys. Er ging auf der Mauer über dem Tor auf und ab. Sein dunkler Umhang, Zeichen seines Rangs, wehte im Wind. »Verschwendet eure Pfeile nicht!«
    Nach und nach sammelten sich die Nachtschatten. Einige trugen primitive Schilde, die sie aus Fensterläden und Türen hergestellt hatten, andere hielten Speere oder Schwerter in den Klauen, doch die meisten verzichteten auf solche Hilfsmittel, zogen es vor, auf allen vieren in die Schlacht zu stürmen. Jonan wusste, wie schnell und stark Nachtschatten waren, welch tiefe Wunden ihre Klauen und Zähne reißen konnten.
    Meine Klauen und Zähne , dachte er und ballte die Hand zur Faust, als die Erinnerung an das Blut seiner Feinde, an ihre Schreie und ihren Angstgestank ihn zu übermannen drohte.
    Er sehnte sich nach der Verwandlung. Zweimal in seinem Leben hatte er dieser Sehnsucht nachgegeben, zweimal hatte er dafür bezahlt. Also lebte er weiter in seiner Lüge, stand Schulter an Schulter mit Menschen, die den Tod von all denen wollten, die so waren wie er, und bekämpfte die Einzigen, die sie davon abhalten konnten.
    »Wartet!«, brüllte Mornys. Er hatte sein Schwert hoch über den Kopf gehoben. Erste Tropfen benetzten die Klinge. Es begann zu regnen.
    Die Nachtschatten verließen die Deckung der Häuser. Einige gingen los, andere folgten ihnen. Niemand schien ihnen Befehle zu geben. Es gab keine Formation, keine erkennbare Strategie, nur eine gewaltige, ständig größer werdende Masse aus Körpern, die schneller und schneller der Festung entgegenhetzte.
    »Scheiße, wo kommen die alle her?« Nyrdok spannte seinen Bogen. Die Pfeilspitze zitterte im Rhythmus seines Herzschlags.
    Es waren tatsächlich mehr Nachtschatten als in den Tagen zuvor. Jonan schätzte, dass mehrere tausend den Hügel hinaufstürmten. Mit langen Sätzen sprangen sie über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden hinweg und über die Krater, die von den Zaubern der Magier in den Boden gerissen worden waren. Die Schild- und Speerträger auf zwei Beinen folgten ihnen langsamer. Ein paar warfen sichtlich frustriert ihre Waffen weg und gingen auf alle viere.
    »Wartet!«, brüllte Mornys erneut. Die vordersten Nachtschatten hatten die Hälfte des Hügels bereits hinter sich gebracht. Aus den Augenwinkeln sah Jonan, dass der Tanz der Magier wilder und frenetischer wurde. Vielleicht war dies ja der Tag, auf den alle in der Festung hofften. Vielleicht hatten die Magier ihren großen Zauber vollendet und würden die Nachtschatten mit einem Schlag hinwegfegen.
    Jonan war wohl der Einzige, der nicht darauf hoffte.
    Langsam spannte er seinen Bogen. Der Pfeil lag reglos auf seiner geballten Faust. Er zitterte nicht.
    Nyrdok warf einen Blick auf seine Hand. »Du bist ein ganz schön kaltschnäuziger …«
    »Jetzt!«, schrie Mornys. Er senkte den Arm.
    Mit dem hellen Summen eines Wespenschwarms lösten sich Hunderte Pfeile von ihren Sehnen. Soldaten schrien ihnen Flüche und Gebete hinterher, während sie bereits nach neuen Pfeilen griffen. Nachtschatten versuchten der Salve mit wilden Haken auszuweichen. Jonan sah, wie einer von gleich drei Pfeilen in den Kopf getroffen wurde. Doch die meisten Pfeile blieben im Boden stecken, darunter auch seiner.
    Dogart streckte die Faust in die Luft. »Ich hab einen erwischt!«
    »Ich auch«, sagte Nyrdok.
    Jonan hörte die Lüge in seiner Stimme. Schweigend zog er einen neuen Pfeil aus dem Köcher, zielte ins Nichts und schoss. Er hatte kein Interesse daran, die Nachtschatten

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