Der verwaiste Thron 03 - Rache
leise.
»Ja.« Merie nahm den Blick nicht von Gerit. »Er ist nett, aber …« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist glücklich mit Mamee. Mich sieht er noch nicht einmal an.«
Korvellan richtete sich auf und zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz durch seine Brust schoss. Schwarzklaue hatte ihn umgebracht, auch wenn er das nicht wusste. Die abgebrochene Kralle bewegte sich in seinem Körper, kam mit jedem Tag näher an sein Herz heran.
Doch noch lebte er, ebenso der Traum, den er seit der ersten Begegnung mit Gerit gehabt hatte: Eine Dynastie aus Nachtschatten und Menschen, ein neues Königreich, um die Provinzen zu einen.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er, als der Schmerz nachließ. »Er wird dich ansehen.« Er lächelte. Es war, als wäre er ein Reiter, der nach einem Sturz wieder in den Sattel steigt. »Ich weiß, wie er denkt.«
Epilog
Jonan fand Ana am Ufer des Großen Flusses. Sie saß auf ihrem Pferd und sah auf die staubige Ebene hinaus. Es schien sie nicht zu überraschen, als er neben ihr anhielt, denn sie fragte nur: »Und das hat er wirklich getan?«
»Korvellan sagt, dass es so ist«, antwortete Jonan. Er klopfte sich den Staub von der Jacke. »Die Mine ist zerstört, der Berg in sich zusammengestürzt, der Fluss verschwunden und mit ihm die Magie. Wir leben in einer neuen Welt.«
»Keiner sehr schönen neuen Welt«, sagte Ana. Sie stützte sich auf den Knauf ihres Sattels. Der Wind wehte ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Wir haben noch nicht viel davon gesehen.«
Es war eine Einladung, aber sie ging nicht darauf ein. Sie hatte Somerstorm heimlich verlassen. Nur Gerit hatte davon gewusst, hatte das Schriftstück angenommen, mit dem sie ihm das Fürstentum überschrieb.
Jonan blickte über die Ebene, über die verdorrten Felder und verlassenen Dörfer. Fast täglich kamen Menschen nach Somerstorm, um sich an der Küste niederzulassen. Er nahm an, dass es an allen Küsten so war.
»Warum bist du nicht geblieben?«, fragte Ana nach einem Moment. »Du weißt so wenig über dein Volk. Die Nachtschatten hätten dich lehren können.«
»Ich weiß, was ich wissen muss«, gab er schärfer als beabsichtigt zurück. »Ich brauche niemanden, der mir sagt, wer ich bin.«
»Ich schon«, entgegnete Ana. »Ich weiß, wer ich nicht bin. Ich bin keine Fürstin, keine Kriegerin, keine Königin.« Sie sah ihn an. »Gerit kann besser regieren als ich, Merie besser kämpfen, aber was kann ich, was sie nicht können?«
»Du kannst sehr gut nörgeln.« Er wich ihr aus, als sie spielerisch nach ihm schlug. Dann wurde er ernst. »Wenn du wissen willst, wer du bist, dann komm mit.«
»Wohin?«
Jonan streckte die Hand aus. »Wir gehen auf eine Reise. Niemand weiß je, wo eine Reise hinführt.«
Sie zögerte. Ihr Blick glitt nach Norden, wo Somerstorm lag, und nach Osten, wo sich die Ebene endlos erstreckte.
»Nach Süden«, sagte sie und ergriff seine Hand.
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