Der verzauberte Turm
sie weiß, was das wirklich ist.«
»Aye.«
»Und Theleb K'aarna hat sie verzaubert.« »Aye.«
»Und jetzt ist es zu spät, denn Umbda - wer immer das sein mag - nähert sich dem Schloß.«
»Aye.« Elrics Hand zitterte, als er aus seinem Beutel das Ding zog, das er dem Dämon kurz vor Verlassen des Palasts von Ashaneloon abgenommen hatte. »Es sei denn, dies ist der Stein, den ich darin vermute.«
»Was ist das?«
»Ich kenne eine Legende. Manche Dämonen haben diese Steine als Herzen.« Er hielt das Gebilde ins Licht, so daß die Blau- und Purpur- und Grüntöne aufblitzten. »Ich habe so einen Stein noch nie gesehen, doch ich glaube, dies ist das Ding, das ich einmal für Cymoril suchte, als ich sie von dem Zauber meines Cousins zu befreien versuchte. Was ich glücklos suchte, war ein Nanorion, ein Stein mit magischen Kräften, der angeblich die Toten wecken kann - oder Menschen in totenähnlichem Schlaf.«
»Und das ist ein Nanorion? Er wird Myshella wecken?«
»Wenn überhaupt etwas das vermag, dann dieser Stein, denn ich habe ihn Theleb K'aarnas Dämon abgenommen, was die Wirksamkeit der Magie erhöhen müßte. Komm mit.« Elric schritt durch den Saal und die Treppe hinauf, bis er Myshellas Zimmer erreichte, wo sie lag, wie er sie schon zuvor gesehen hatte, auf dem mit Tüchern behängten Bett, die Wand voller Schilde und Waffen.
»Jetzt verstehe ich, warum diese Waffen ihr Gemach verzieren«, stellte Mondmatt fest. »Nach den Legenden sind dies die Schilde und Waffen all jener, die Myshella liebten und für ihre Sache kämpften.«
Elric nickte und sagte wie zu sich selbst: »Aye, die Herrscherin der Morgendämmerung war seit jeher eine Feindin Melnibones.«
Vorsichtig hielt er den pulsierenden Stein in die Höhe und streckte den Arm aus, um ihn ihr auf die Stirn zu legen.
»Es verändert sich nichts«, sagte Mondmatt nach kurzem Schweigen. »Sie bewegt sich nicht.«
»Es gibt da einen Zauberspruch, aber ich weiß ihn nicht mehr.« Elric preßte sich die Finger gegen die Schläfen. »Ich erinnere mich nicht daran...«
Mondmatt ging zum Fenster. »Vielleicht können wir Theleb K'aarna danach fragen«, sagte er ironisch. »Er ist bald hier.«
Dann sah Mondmatt, daß in Elrics Augen wieder Tränen standen und daß er sich abgewandt hatte in der Hoffnung, Mondmatt würde nichts merken. Mondmatt räusperte sich. »Ich habe unten noch zu tun. Ruf mich, wenn du meine Hilfe brauchst.«
Er verließ das Zimmer und schloß die Tür, und Elric war mit der Frau allein, die ihm immer mehr wie ein Phantom aus seinen schlimmsten Alpträumen vorkam.
Er bezwang seine fieberhaft wirbelnden Gedanken und versuchte sie zu zügeln, versuchte sich an die entscheidenden Worte in der Hochsprache Alt-Melnibones zu erinnern.
»Ihr Götter!« hauchte er. »Helft mir!«
Aber er wußte, daß die Herren des Chaos ihm gerade in dieser Sache nicht helfen würden - eher würden sie ihn noch behindern, wenn sie konnten, denn Myshella war eines der Hauptwerkzeuge der Ordnung auf der Erde; ihr Verdienst war es, daß das Chaos aus der Welt vertrieben wurde.
Er fiel neben ihrem Bett auf die Knie, die Fäuste geballt, das Gesicht vor Anstrengung zuckend.
Und dann fiel es ihm ein. Noch immer war sein Kopf gebeugt, als er die rechte Hand ausstreckte und sie auf Myshellas Nabel legte, und er begann in einer alten Sprache zu singen, die schon verbreitet gewesen war, lang, ehe der erste Mensch über die Erde schritt.
»Elric!«
Mondmatt stürzte ins Gemach, und Elric wurde aus seiner Trance gerissen.
»Elric! Man dringt bereits ein! Die Vorreiter.« »Was?«
»Sie sind in das Schloß eingebrochen - ein Dutzend Mann. Ich habe sie zurückgeworfen und den Zugang zu diesem Turm versperrt, aber sie hämmern bereits unten auf die Tür ein. Ich glaube, sie sind geschickt worden, um Myshella zu vernichten. Sie waren überrascht, mich hier anzutreffen.«
Elric stand auf und blickte lange auf Myshella hinab. Der Zauberspruch war vollendet und fast schon ein zweites Mal ausgesprochen worden, als Mondmatt dazwischenkam. Noch regte sie sich nicht.
»Theleb K'aarna hat sein Zauberwerk aus der Ferne getan«, sagte Mondmatt. »Er hat dafür gesorgt, daß Myshella ihm keinen Widerstand leisten würde. Aber mit uns hat er nicht gerechnet.«
Er und Elric eilten aus dem Raum und die Treppe hinab, wo sich eine Tür bereits unter den Waffenhieben einwärts bog und splitterte.
»Zurück, Mondmatt!«
Elric zog ein sirrendes Runenschwert, hob es hoch
Weitere Kostenlose Bücher